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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Himmel.
    Hoch oben krächzte ein Rabe und Renn sprach einen inbrünstigen Dank. Ihr Clanhüter krächzte eine Antwort und warnte sie, dass die Sache noch nicht ausgestanden war.
    Ihre Zähne klapperten und ihr wurde immer kälter. Sie stand auf und musste feststellen, dass sie ihre Kapuzenjacke, das Wams und die Handschuhe, die sie vor sich hergeschoben hatte, nirgends finden konnte.
    Nach einer zunehmend verzweifelten Suche stolperte sie über das Bündel. Sie zog sich an und ihr wurde sofort wärmer. Abermals pries sie das Können der Eisfuchsfrauen.
    Über ihr glitzerten die Sterne, Wolken zogen eilig über den Himmel. Der Erste Baum war nicht zu sehen, der Mond auch nicht.
    Der Mond auch nicht? Ausgeschlossen, dass er sich jetzt schon verdunkelt hatte!
    Doch. Schaudernd begriff Renn, dass sie keine Ahnung hatte, wie lange sie eigentlich im Berg der Seelenesser gewesen war. Sie betrachtete seinen schwarzen Umriss. Irgendwo dort drin waren Torak und Wolf und sollten geopfert werden, wenn sich der Mond verdunkelte. Also jetzt.
    Sie musste die beiden retten. Sie musste wieder hinein.
    Als sich ihre Augen an das Sternenlicht gewöhnt hatten, merkte sie, dass ihr die Umgebung fremd war. Das Wieselloch war als runde schwarze Öffnung zu erkennen, aber sie hielt vergeblich Ausschau nach der Steinsäule und dem Auge der Natter. Überall nur Schneebuckel und kohlschwarzer Fels. War sie auf der anderen Seite des Berges herausgekommen?
    Hastig tastete sie sich voran, stolperte und fiel in eine Schneewehe.
    Eine ausgesprochen harte Schneewehe, unter der sie etwas Festes spürte.
    Sie kniete sich hin und fing an zu graben.
    Ein Boot. Nein… gleich zwei Boote, beide größer als jenes, das ihnen die Eisfüchse überlassen hatten, und mit Paddeln, Harpunen und Seilen ausgestattet. Die Seelenesser hatten an alles gedacht.
    Renn zückte ihr Messer und schlitzte die Boote auf. So! Seht zu, wie weit ihr damit kommt.
    Gebrüll drang aus dem Berg.
    Renn machte kehrt und lief zum Wieselloch. Da war es wieder, das unverkennbare Gebrüll eines Eisbären. Der mordlustige Singsang der Seelenesser kam ihr in den Sinn: Das ist der Bär, der Stärke wegen …
    Das Gebrüll verstummte. Renn lauschte angestrengt, aber nur ein warmer, nach Fledermäusen stinkender Luftschwall quoll aus dem Wieselloch. Renn malte sich aus, wie Torak ganz allein den Seelenessern trotzte. Sie musste zu ihm!
    Sie überlegte. Auf ihrer Flucht war sie bergauf gekrochen. Demnach war sie weiter oben herausgekommen.
    »Nichts wie bergab!«, rief sie.
    Sie lief los, plumpste in Schneewehen, rappelte sich wieder auf und hastete weiter, immer bergab.
    Sie umrundete einen Felsvorsprung – und stand urplötzlich vor der Steinsäule und dem Auge. Dass sie bei diesem Anblick einmal heilfroh sein würde, hätte sie auch nicht geahnt.
    Das Auge war zu, mit der Steinplatte verschlossen, die der Eichenschamane davorgeschoben hatte, aber vielleicht konnte sie die Platte ja gerade so viel wegrücken, dass sie sich durch den Spalt zwängen konnte.
    Sie stemmte sich mit der Schulter dagegen, aber genauso gut hätte sie versuchen können, den ganzen Berg wegzurücken.
    Dunstschwaden quollen unter der Platte hervor, wo eine Ecke nicht ganz sauber abschloss. Renn versuchte, sich durch die Lücke zu quetschen. Für Wolf hätte es gereicht, für sie war der Spalt gerade ein paar Fingerbreit zu schmal.
    Da begriff sie endgültig, das es nur einen einzigen Weg gab, wie sie wieder in den Berg hineinkonnte. Denselben Weg, auf dem sie herausgekommen war.
    »Das schaffe ich nicht«, flüsterte sie. Ihr Atem wehte als geisterhafte Wolke davon.
    Sie verfolgte ihre Spur zurück, lief wieder bergauf und stand keuchend vor dem Wieselloch. Es war winzig. Ein winziges, grausames Maul, das darauf lauerte, sie zu verschlingen.
    Sie legte den Kopf in den Nacken. »Das schaffe ich einfach nicht!«
    Grelles Mondlicht schien ihr ins Gesicht.
    Sie blinzelte. Sie hatte sich geirrt. Der Mond hatte sich nicht verdunkelt. Noch nicht. Zwischen den Wolken stand eine dünne Sichel am Himmel. Der allerletzte Bissen, den der Himmelsbär noch nicht verspeist hatte. Ihr blieb noch ein ganzer Tag. Torak und Wolf genauso.
    Als sie zu dem klaren, hellen weißen Licht emporschaute, fasste Renn neuen Mut. Der Mond war eine ewige Beute. Unablässig floh er über den Himmel, wurde immer wieder gestellt und gefressen, aber auch immer wieder neu geboren, damit er Jägern und Beute zuverlässig den Weg leuchten konnte, sogar

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