Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)
gewandt, fuhr er fort: »Du hast dein unreines Waldtierleder am Meer ausgebreitet! Du wolltest mit deinen niederträchtigen Schlingen unsere Hautboote einfangen … und hast es gewagt, sie im Meer auszulegen.«
»Ich habe geangelt.«
»Du hast das Gesetz gebrochen!«, wetterte Bale. »Du hast das Meer mit Wald beschmutzt!«
Torak holte tief Luft. »Ich heiße Torak. Ich gehöre zum Wolfsclan. Welcher Sippe gehört ihr an?«
»Den Robben, was sonst?« Bale fasste nach seinem Clanabzeichen. »Du wirst doch wissen, wie Robbenfell aussieht!«
Torak schüttelte den Kopf. »Nein.«
Detlan war fassungslos. »Hast du etwa noch nie eine Robbe gesehen?!«
»Ich hab doch gleich gesagt, dass er verrückt ist!«, warf Asrif schnippisch ein.
Torak schoss das Blut in die Wangen. »Ich gehöre zum Wolfsclan«, wiederholte er. »Außerdem…«
»Seht mal da!« Asrif pikte mit einem angeschwemmten Ast nach dem Fellstreifen an Toraks Wams.
Bale verzog geringschätzig das Gesicht. »So sieht also Wolfsfell aus. Muss ja ein jämmerliches Vieh sein, so ein Wolf.«
»Wenn du schon mal einen gesehen hättest, würdest du anders reden!«, brauste Torak auf und fuhr Asrif an: »Lass das!« Fa hatte ihm den Streifen Fell im vergangenen Frühling überreicht. Er stammte von einem toten Wolf, den sie in einer Höhle entdeckt hatten. Im Winter hatte Torak den Streifen von seinem Wams abgetrennt und an seine warme Jacke genäht und dann wieder an das Sommerwams, das er jetzt trug. Er mochte nicht daran denken, dass das Fell irgendwann nur noch ein mürber, unbrauchbarer Fetzen wäre.
Bale warf Asrif einen missbilligenden Blick zu und der Kleinere ließ den Ast achselzuckend fallen.
»Ich gehöre zwar zum Wolfsclan, aber die Mutter meines Vaters stammt von den Robben«, erklärte Torak, an Bale gewandt. »Ob es euch nun passt oder nicht, wir sind Blutsverwandte.«
»Du lügst!«, fauchte Bale. »Wenn du mit uns verwandt wärst, hättest du nicht das Gesetz des Meeres gebrochen!«
»He, Bale«, mischte sich Detlan ein, »lass uns zurückgehen. Sie wird unruhig.«
Bale betrachtete das Meer. Die Wellen waren lebhafter geworden. »Da hast du’s«, beschuldigte er Torak. »Du hast die Meermutter erzürnt, weil du ihre Fluten mit Wald beschmutzt hast.«
»Dafür kommst du auf den Stein, Waldjunge!« Asrif rieb sich die Hände.
»Auf den Stein?«, echote Torak verständnislos.
Asrif grinste übers ganze Gesicht. »Eine Schäre bei unserer Insel. Weißt du wenigstens, was eine Schäre ist?«
»Ein Felsen im Meer«, warf Detlan ein, der Toraks Unwissenheit sichtlich immer noch nicht fassen konnte.
»Du bekommst einen Sack Wasser, aber nichts zu essen, und wirst einen ganzen Mond lang auf dem Stein ausgesetzt«, erläuterte Asrif. »Manche lässt die Mutter am Leben, andere nimmt sie mit.« Er wurde plötzlich ernst und Torak las Furcht in seinen wasserblauen Augen. »Sie nimmt sie mit und wirft sie den Jägern in den Rachen.«
»Das reicht jetzt, Asrif«, unterbrach ihn Bale. »Wir nehmen ihn mit, alles andere muss der Älteste entscheiden.«
»Nein!« , protestierte Torak.
Bale beachtete ihn gar nicht. »Asrif, du nimmst die Tauschwaren. Detlan, du machst ein Feuer zum Reinigen, vor allem für den Waldjungen. Ich bessere so lange mein Boot aus.« Er sprang von den Felsen in den Ufersand.
Detlan schien froh, etwas zu tun zu haben, und machte sich daran, ganze Berge getrockneten Tang und Treibholz zu sammeln. Schon bald brannte ein großes Feuer, von dem dicker grauer Qualm aufstieg.
»Was habt ihr mit mir vor?«, wollte Torak wissen.
»Dir einen kleinen Vorgeschmack aufs Meer zu verschaffen«, erwiderte Asrif mit seinem Wieselgrinsen.
»Solange du dermaßen nach Wald stinkst, können wir dich ja wohl kaum in die Nähe unserer Boote lassen«, sagte Detlan und hielt es anscheinend für überflüssig, etwas so Offensichtliches näher zu erläutern.
Ehe Torak etwas einwenden konnte, hatte ihn der große Junge nackt ausgezogen und in die Flammen gestoßen.
Torak brachte sich mit einem Satz in Sicherheit, aber gegenüber stand Asrif und scheuchte ihn mit seiner Harpune in den beißenden, erstickenden Qualm zurück.
Dieses üble Spiel wiederholten sie viele Male, bis Torak die Augen tränten und er würgen musste. Dann schubsten sie ihn ins Meer.
Die Eiseskälte traf ihn wie ein Fausthieb. Er schluckte Salzwasser. Er strampelte wie ein Besessener und konnte schließlich den Kopfüber die Wasseroberfläche heben, aber seine Hände
Weitere Kostenlose Bücher