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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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und zwar ohne sich zu verraten. Erst wenn er drüben angelangt war, konnte er seine Verfolger hineinlocken.
    Es konnte klappen. Er durfte bloß selbst nicht einsinken.
    Geräuschlos erklomm er eine ausladende Weide, die ihre Äste über die Senke streckte – allerdings vergewisserte er sich zuvor, dass es nicht wieder eine Bruchweide war –, und kletterte bis ans äußerste Ende eines langen Astes. Gegenüber wuchs eine Erle. Wenn er hinüberspringen konnte …
    Er sprang und landete mit knapper Not in der Erlenkrone. Seine Füße streiften den kalten, stinkenden Sumpfboden. Als er sich hochzog, brach unter seinem Gewicht ein Ast, und er bat den Baum flüsternd um Verzeihung.
    Rufe. »Da unten!«
    Sie machten mehr Krach als eine Herde Auerochsen. Torak hastete den Abhang hoch. Wacholderzweige zerkratzten ihm die Waden.
    Dann erscholl wütendes Geschrei. Gut so. Sie waren in den Sumpf getappt.
    »Hinterhältige Waldtricks!«, brüllte der eine.
    »Das wirst du noch büßen!«, ein anderer.
    Aber er hörte nur zwei Stimmen. Wo war der Dritte, der Größte?
    Egal. Torak stand glücklich oben auf der Böschung – und wäre beinahe einen steilen Abhang heruntergefallen. Er konnte sich gerade noch an einem jungen Baum festhalten.
    Er unterdrückte einen enttäuschten Ausruf. Sein Vorsprung war längst nicht so groß wie erhofft.
    Der Sumpf würde seine Verfolger nicht lange aufhalten. Auch wenn er den Steilhang hinunterkletterte, war der Fluss zu breit, um ihn zu durchschwimmen, und die Jungen würden ihn in ihren Kanus mühelos einholen. Das hieß, er musste stromaufwärts am Flussufer entlanglaufen und versuchen, sie im Wald abzuhängen. Das wiederum bedeutete, dass er sein ganzes Gepäck unten am Meer zurücklassen musste. Zum Glück hatte er sein Messer dabei …
    Sein Messer…
    Er hatte das Messer eingesteckt, das ihm Fin-Kedinn geschenkt hatte, aber Fas Messer, das Wertvollste, was er besaß, steckte in seiner Trage.
    Über seinem Kopf knackte und rauschte es, und als er aufblickte, sah er einen großen Ast herabstürzen. Er sprang beiseite, aber der Ast erwischte ihn am Ellbogen und er schrie auf.
    »Da vorne!«, johlten die Jungen.
    Er hörte Gelächter, hob den Kopf – und blickte in ein Blättergesicht, das im nächsten Augenblick wieder im Laub verschwand.
    Ein Stein traf ihn an der Wange, er stürzte hin.
    »Jetzt haben wir ihn«, triumphierte jemand.
    Vom Schmerz ganz benommen, sah Torak den Großen heranschlendern. »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht auf den Kopf zielen, Asrif«, schalt er seinen Gefährten. »Du hättest ihn töten können.«
    Asrif verstaute die Schleuder wieder im Gürtel und erwiderte grinsend: »Na und?«

    Sie waren zu den Felsen zurückgekehrt. Toraks Hände waren auf den Rücken gefesselt, die drei Jungen gingen auf und ab. Sie hatten die Lederstreifen von den Augen genommen, aber das half Torak auch nicht viel weiter. In ihren Blicken las er, dass sie vor Gewalt nicht zurückschrecken würden, und alle drei hatten die Hand am Messerknauf. Es waren sonderbare Messer mit Knäufen aus einem unbekannten Material, weder Holz noch Horn und auch nicht Knochen.
    Der Junge, der ihn eingefangen hatte, trat vor ihn hin. Er hatte ein waches, kluges Gesicht und kalte Augen wie aus blauem Feuerstein. »Du hättest nicht weglaufen sollen«, sagte er ruhig. »So was machen nur Feiglinge.«
    Torak hielt seinem Blick stand. »Ich bin kein Feigling.« In seiner Wange pochte es, Füße und Beine waren zerkratzt und brannten.
    Asrif lachte schadenfroh. »Mann, kriegst du einen Ärger, Waldjunge!« Torak fand, er sah aus wie ein Wiesel. Er grinste hämisch und bleckte dabei die Zähne. »Stimmt doch, oder, Bale?«
    Der antwortete nicht.
    »Ich versteh das nicht«, meinte Detlan kopfschüttelnd. »Das Meer mit dem Wald verunreinigen! Wie kann man so was machen?« Er zog angestrengt die buschigen Augenbrauen zusammen, und Torak erriet, dass er nicht der Hellste war, dafür aber treu und brav tat, was man ihm auftrug.
    Torak drehte sich nach Bale um, der offenbar das Sagen hatte. »Ich weiß ja nicht, was ihr mir vorwerft, aber ich habe nie …«
    »Hirschleder!«, schnaubte Bale angeekelt und stapfte auf und ab. »Rentierfell! Waldholz! Hast du denn gar keine Achtung?«
    »Wovor?«
    Detlan blieb der Mund offen stehen.
    Asrif tippte sich an die Stirn. »Der ist verrückt, anders kann’s nicht sein.«
    Bale musterte den Gefangenen kritisch. »Nein. Er hat gewusst, was er tat.« An Torak

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