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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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waren nach wie vor gefesselt.
    Dann wurde er unsanft herausgezogen und zu den Felsen geschleift, wo er, nach Atem ringend, liegen blieb. Die Jungen schnitten ihm die Handfesseln durch und steckten ihn in ein grauledernes Wams und ebensolche knielange Beinleder, die Asrif aus seinem Boot geholt hatte. Ohne Messer und Clanabzeichen fühlte sich Torak trotzdem wie nackt. Es widerstrebte ihm heftig, fremde Kleider zu tragen. »Gebt mir… meine Sachen wieder!«, stammelte er.
    »Sei froh, dass der Lachsclan mit uns keinen Handel treiben wollte«, erwiderte Asrif, »sonst hättest du jetzt überhaupt nichts zum Anziehen!«
    »Oje, ist der aber mager!«, rief Detlan aus, als er Torak aufhalf. »Jagt es sich im Wald so schlecht?«
    Teils schubsten, teils zerrten sie ihn zum Wasser hinunter. Asrif verstaute geschickt große, beulige Bündel im Bug und Heck seines Bootes. Etwas abseits kniete Bale neben seinem Boot und schmierte dessen Flanke mit einer Art Fett aus einem kleinen Beutel ein. Liebevoll glitten seine Hände über die gespannte Haut, aber als sein Blick auf Torak fiel, verfinsterte sich seine Miene. »Schaff ihn mir aus den Augen, Detlan«, knurrte er. »Er soll meinem Boot nicht zu nahe kommen.«
    »Rein mit dir«, befahl Detlan und stieß Torak vor sich her. Auch sein Boot war wie das von Asrif mit großen Bündeln beladen, wozu auch Toraks Habe gehörte, allerdings war alles im Bug gestapelt.
    »Dein Freund Bale«, fragte Torak, »wieso ist der eigentlich so wütend auf mich?«
    »Dein Angelhaken hat sein Hautboot beschädigt«, entgegnete Asrif. »Du kannst von Glück sagen, dass man den Schaden ausbessern kann.«
    »Aber es ist doch bloß ein Boot«, sagte Torak verwundert.
    Detlan war empört. »Ein Hautboot ist kein gewöhnliches Boot! Es ist ein Jagdgefährte! Pass bloß auf, dass dich Bale nicht hört.«
    Torak schluckte. »Ich wollte niemanden …«
    »Los jetzt, rein mit dir«, befahl Detlan mürrisch. »Setz dich ins Heck, nimm die Füße an den Querbalken und rühr dich ja nicht. Wenn du ein Loch in die Bespannung trittst, gehen wir alle beide unter.«
    Das Hautboot war so flach, dass es bei der leisesten Bewegung ins Schaukeln geriet, und Torak musste sich am Rand festhalten, um nicht hinauszufallen. Detlan war viel kräftiger gebaut als er, aber als er hineinsprang, schwankte er kein bisschen, und Torak sah, dass er die Beine im Sitzen gegen die Bootswand stemmte, um das Gleichgewicht zu halten.
    Bale fuhr voraus und sein Boot glitt mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch die Wellen. Sie hatten den Wind im Rücken und flogen wie Vögel übers Wasser, und als Torak sich umdrehte, erschrak er, dass der Wald schon so weit weg war.
    Sie näherten sich der Inselgruppe, die er vom Ufer aus gesehen hatte, aber zu seiner Bestürzung fuhren sie einfach daran vorbei. »Aber… ich dachte, wir wollen zu euren Inseln?«
    »Stimmt genau!«, erwiderte Asrif spöttisch.
    »Warum haben wir dann nicht angehalten?«
    Detlan warf lachend den Kopf in den Nacken. »Doch nicht diese! Wir sind noch längst nicht da. Dorthin rudert man einen ganzen Tag lang!«
    »Was?« Torak war entsetzt.
    Sie passierten die letzte Insel der Gruppe, und ab dort war nirgends mehr Land in Sichtweite, sondern nur noch Wasser, wohin man auch blickte.
    Torak klammerte sich an den Bootsrand und spähte in die finstere Flut. »Ich kann gar nicht bis auf den Grund sehen.«
    »Natürlich nicht!«, erwiderte Detlan. »Schließlich sind wir hier auf dem Meer!«
    Als Torak sich umdrehte, sah er den Wald endgültig am Horizont verblassen, und damit schwand auch die letzte Hoffnung, den ersehnten Heiltrank zu finden.
    Doch unversehens trug ihm der Wind Wolfsgeheul zu. Und zwar nicht irgendein Geheul, sondern das von Wolf.
    Wo bist du? Ich bin hier! Wo bist du?
    Torak sprang auf, dass das Boot schlingerte. »Wolf!«
    »Hinsetzen!«, blaffte Detlan.
    »Zu spät, Waldjunge, du kannst nicht mehr zurück«, spöttelte Asrif. »Und komm bloß nicht auf die Idee, ins Wasser zu springen, denn dann müssen wir dich töten.«
    Zu spät …
    Torak hörte Wolf heulen und konnte den Wald schon nicht mehr erkennen.
    »Wolf!« , schrie er gellend.
    Wolf hatte seine flehentlichen Rufe vernommen, hatte dem Zorn des Weltgeists die Stirn geboten und sich auf die Suche nach seinem Rudelgefährten gemacht… aber Torak war für ihn unerreichbar, und das durch eigenes Verschulden.

Kapitel 17

    DIE SONNE VERSANK im Meer, die drei Boote schossen durch die Wellen und

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