Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)
hast du eben gesagt?«, wollte Tenris wissen.
Torak überlegte fieberhaft, dann deutete er mit dem Kinn auf den Boden und sagte: »Die Zähne da… die sind von einem Jäger, nicht wahr? Wozu soll das gut sein?«
»Für einen Zauber«, erwiderte Tenris knapp und tunkte den Pinsel wieder ein. »Als du mir das Messer deines Vaters gezeigt hast, habe ich mir schon gedacht, dass du der bist, den ich gesucht habe, aber ich wollte ganz sichergehen.«
»Und dafür musste ein Jäger sein Leben lassen?«
»Na und? Was kann mir schon passieren!« Tenris fasste mit der verbrannten Hand nach dem Amulett um seinen Hals. »Das hier ist ein Tarnzauber.«
Torak sah wieder Detlans verzerrtes Gesicht vor sich, als Bale sein gebrochenes Bein versorgt hatte. Er würde sein Leben lang ein Krüppel bleiben, wenn er überhaupt am Leben blieb. Das alles nur, weil Tenris hatte »sichergehen« wollen.
Wolf kletterte vorsichtig über den Holzstapel und bewegte sich dabei bedenklich nah am Abgrund.
Rasch verwickelte Torak Tenris wieder ins Gespräch. »Du hast eben gesagt, dass ich der bin, den du gesucht hast. Wieso?«
»Derjenige, der den Bären getötet hat«, erwiderte Tenris mit finsterem Gesicht.
»Den Bären«, wiederholte Torak betroffen.
» Ich habe den Bären erschaffen«, zischte Tenris. » Ich habe den Dämon beschworen. Ich habe ihn in den Bären gebannt. Dann bist du gekommen und hast mein Werk zunichte gemacht.«
Torak war so erschüttert, dass er nicht mehr auf Wolf achtete. »Du lügst. Der Mann, der den Bären erschaffen hat, war verkrüppelt. Ein verkrüppelter Wanderer.«
Tenris warf lachend den Kopf in den Nacken, stand auf und schritt, Mitleid erregend hinkend, um das Feuer herum. Er konnte sich kaum wieder beruhigen. »Na, ist das überzeugend? Allerdings hatte ich es irgendwann ziemlich über.«
Tenris hatte also den Bären erschaffen … den Bären, der Fa getötet hatte …
Torak sah die Lichtung vor sich, wo er und sein Vater an jenem Abend ihr Lager aufgeschlagen hatten. Sah Fas amüsiertes Gesicht, als er über Toraks Scherze lachte. Sah sein Gesicht, als er im Sterben lag…
»Nanu, weinst du etwa?«, höhnte Tenris.
»Du hast ihn umgebracht«, hauchte Torak. »Du hast Fa umgebracht…«
Er spürte den Tokorothjungen wieder nach seinem Fuß greifen und versetzte ihm einen Tritt. »Du hast meinen Fa umgebracht!« , schrie er und wehrte sich mit aller Kraft gegen die Fesseln, doch die Riemen gaben nicht nach.
Im selben Augenblick kam Wolf aus dem Nebel geschossen und sprang Tenris an. Der Robbenschamane griff nach seiner Harpune und die Tokoroth huschten wie Spinnen umher, zückten ihre Messer, zogen brennende Holzscheite aus der Glut und holten damit nach dem Angreifer aus.
»Wolf!« Torak mühte sich verbissen ab, die über dem Kopf gefesselten Hände über den Felsvorsprung zu heben, hatte aber wegen der Fußfesseln keinen Erfolg. »Wuff, wuff, wuff!«
Tenris hob die Harpune und stach zu.
Wolf machte einen gewaltigen Satz, drehte sich im Sprung – und die tückischen Knochenspitzen trafen ins Leere.
Tenris blaffte einen Befehl und das Tokorothmädchen hielt den brennenden Ast an den Holzstapel. Flammen loderten hoch empor. Beide Tokoroth schlugen mit ihren Fackeln nach dem knurrenden Wolf und trieben ihn in die Enge, bis er mit dem Rücken zum Holzstoß stand.
Torak rechnete schon mit dem Schlimmsten, da schoss Wolf herum und kletterte über das äußerste Ende des Holzwalls, das noch nicht Feuer gefangen hatte. Die beiden Tokoroth rannten mit ihren Fackeln hinterher, die Flammen loderten noch höher und jetzt brannte der ganze Holzstoß lichterloh. Der Zugang zur Klippe war versperrt.
Tenris ließ die Harpune fallen. »Er ist weg«, wandte er sich an seinen Gefangenen. »Jetzt kann uns kein Wolf und auch sonst niemand mehr stören.«
»Aber deine Tokoroth können auch nicht mehr zurück«, konterte Torak. Die beiden Kinder hasteten mit klackernden Klauen hinter Wolf her bergab.
Tenris zuckte wegwerfend die Achseln. »Die brauche ich nicht mehr.« Er nahm das Messer von Toraks Brust. »Den Rest schaffe ich auch allein.«
Toraks Herz pochte wild. Wolf war fort. Angesichts der Flammenwand erübrigte sich jede Hoffnung auf Rettung. Selbst wenn es ihm gelang, die Füße frei zu bekommen, selbst wenn es ihm gelang, die gefesselten Hände über den Felsvorsprung zu heben und sich vom Altar herunterzuwälzen – was half das schon? Er saß hier oben in der Falle, war einem erwachsenen,
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