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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Flucht verholfen hatte. Hätte sie ihn nicht als Feigling verhöhnt, hätte sie ihm Leid tun können.
    Doch sie fing sich wieder. »Wir durchqueren das Tal«, sagte sie energisch. »Da hinten bei den Wiesen gibt es eine Stelle, wo man gut durch den Fluss waten kann. Danach biegen wir nach Norden ab …«
    »Nein«, unterbrach sie Torak unvermittelt und zeigte auf Wolf. Der Welpe hatte einen Elchwechsel entdeckt, der sich durch ein Gehölz aus hohen, mit feuchten Bartflechten bewachsenen Fichten schlängelte, und sah sich auffordernd um.
    »Wir müssen da lang«, sagte Torak. »Außen am Tal entlang, nicht mitten durch.«
    »Aber dort geht es nach Osten. Da kommen wir viel eher an die Hohen Berge, und es wird viel schwieriger, sich nach Norden zu halten.«
    »Welchen Weg nimmt Fin-Kedinn voraussichtlich?«
    »Erst die Wildwechsel ein Stück westwärts, dann nach Norden.«
    »Na also, dann ist es doch eine gute Idee, nach Osten zu gehen.«
    Sie runzelte skeptisch die Stirn. »Willst du mich vielleicht reinlegen?«
    »Hör zu«, erwiderte er. »Wir gehen nach Osten, weil Wolf es sagt. Er kennt den Weg.«
    »Wie? Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen, dass er den Weg zum Berg kennt«, erwiderte Torak ruhig.
    Sie starrte ihn an. »Dieser mickrige Welpe?«, schnaubte sie verächtlich.
    Torak nickte.
    »Das glaub ich dir nicht.«
    »Mir egal«, sagte Torak.

    Wolf fand Weibchen Schwanzlos grässlich .
    Schon als er sie das erste Mal gewittert und sie die Lange-Klaue-die-fliegt auf seinen Rudelgefährten gerichtet hatte, war sie ihm gründlich zuwider gewesen. Wie konnte sie nur so etwas tun? Als wäre Groß Schwanzlos eine Jagdbeute!
    Danach hatte sie noch viel schrecklichere Dinge angestellt. Sie hatte Wolf Groß Schwanzlos weggenommen und ihn in eine komische, luftlose Höhle gesteckt, in der er so durchgeschüttelt wurde, dass ihm übel geworden war.
    Noch schlimmer war, wie sie sich gegenüber Groß Schwanzlos aufführte. Wusste sie denn nicht, dass er der Leitwolf war? Es klang schrill und respektlos, wenn sie ihn in der Schwanzlossprache ankläffte. Warum knurrte Groß Schwanzlos sie nicht einfach an und scheuchte sie weg?
    Er trabte den Wildwechsel entlang und war froh zu hören, dass sie ein ganzes Stück hinter ihm war. Gut so. Sie sollte ihn bloß in Ruhe lassen.
    Er blieb stehen und verspeiste ein paar Preiselbeeren, die am Wegesrand wuchsen, spuckte eine schlechte wieder aus und trottete weiter. Unter den Pfoten spürte er die trockene Erde und auf dem Rücken die Wärme des Heißen Hellen Auges. Er hob die Schnauze und sog die Gerüche ein, die ihm aus dem Tal entgegenschlugen: ein paar Häher und alte Elchlosung, mehrere vom Sturm geknickte Fichten, jede Menge Weidenröschen und welke Blaubeersträucher. Alles gute, interessante Gerüche, aber auch der undeutliche, kalte, Furcht erregende Geruch des Flinken Nass.
    Wieder überkam ihn die alte Angst. Irgendwie mussten er und Groß Schwanzlos das Flinke Nass überqueren. Bis zur richtigen Stelle waren es noch viele Sprünge, aber Wolf konnte es schon rauschen hören, so laut, dass es sogar sein bedauernswerter, halb tauber Rudelgefährte nicht überhören konnte.
    Es klang nach Gefahr. Wolf wäre am liebsten umgekehrt, aber das ging nicht. Das Ziehen wurde immer stärker… jenes Ziehen, das dem Höhlen-Ziehen glich, aber keins war.
    Plötzlich stieg ihm noch etwas anderes in die Nase. Er blähte die Nüstern. Er legte die Ohren an. Das da war nicht gut. Nicht gut, nicht gut, nicht gut.
    Wolf machte kehrt und rannte zu Groß Schwanzlos zurück.

Kapitel 14

    »WAS HAT ER?«, flüsterte Renn und beobachtete den verängstigten jungen Wolf.
    »Ich weiß nicht«, murmelte Torak. Die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf. Mit einem Mal hörte er keine Vögel mehr.
    Renn zog sein Messer aus ihrem Gürtel und warf es ihm zu. Er fing es auf und nickte.
    »Wir sollten umkehren«, sagte sie.
    »Geht nicht. Das hier ist der Weg zum Berg.«
    Wolfs bernsteinfarbene Augen waren dunkel vor Furcht. Mit gesenktem Kopf und gesträubtem Rückenhaar trottete er weiter.
    Torak und Renn folgten ihm so leise wie möglich. Wacholderranken krallten sich in ihre Stiefel, Bartflechten fingerten über ihre Gesichter. Die Bäume waren totenstill … sie warteten darauf, dass etwas geschah.
    »Vielleicht ist es gar nicht …«, flüsterte Renn. »Es könnte doch auch ein Luchs oder ein Vielfraß sein.«
    Torak glaubte genauso wenig an diese Erklärung wie sie.
    Sie kamen um

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