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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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hast du überhaupt gewusst, dass sie kommen?«
    »Das hat mir Wolf gesagt.«
    Sie sah erst verwundert und dann erschrocken aus. »Du kannst tatsächlich mit ihm reden?«
    Torak antwortete nicht.
    Sie stand auf und gab sich Mühe, sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen. »Sie sind weg. Jetzt müssen wir nach Norden.« Sie schob den Pfeil in den Köcher zurück, hängte sich den Bogen über die Schulter, und Torak glaubte schon, sie hätte es sich anders überlegt. Aber dann zog sie ihr Messer und stieß nach ihm, damit er sich in Bewegung setzte.
    Sie kamen an einen Bach, der aus einer Felsklamm schoss, und machten sich ans Klettern. Torak war schon ganz schwindlig vor Erschöpfung. Er hatte die vergangene Nacht kein Auge zugetan und seit über einem Tag nichts mehr gegessen.
    Irgendwann konnte er nicht mehr weiter und ließ sich auf die Knie fallen. Wolf sprang von seinem Arm und stolperte vor Ungeduld über die eigenen Pfoten, als er zum Bachufer lief.
    »Was soll das?«, rief Renn. »Wir können hier nicht Halt machen!«
    »Siehst du doch, dass wir das können«, gab Torak unwirsch zurück. Er riss ein Büschel Seifenkraut aus, tauchte es ins Wasser und wischte sich damit den restlichen Vielfraßkot ab. Dann beugte er sich vor und stillte seinen Durst.
    Danach fühlte er sich bedeutend besser. Er wühlte in seiner Trage nach dem Rehfleisch, das er geräuchert und zu kleinen Rollen zusammengeschnürt hatte. Das alles kam ihm vor, als läge es schon viele Monde zurück. Erst biss er ein Stück ab und warf es Wolf hin, dann aß er selbst. Es schmeckte köstlich. Schon nach wenigen Bissen spürte er, wie ihn die Kraft des Rehbocks durchströmte.
    Renn zögerte, dann setzte auch sie ihre Trage ab und kniete sich davor, hielt aber das Messer weiterhin auf Torak gerichtet. Mit einer Hand kramte sie drei dünne rötlich-braune Fladen hervor und hielt Torak einen davon hin.
    Er nahm ihn und biss ein kleines Stück ab. Es schmeckte nahrhaft und salzig und hatte einen würzigen Beigeschmack.
    »Getrockneter Lachs«, nuschelte Renn mit vollem Mund. »Den zerstampfen wir mit Hirschtalg und Wacholderbeeren, dann hält er sich den ganzen Winter.«
    Verblüfft sah er, wie sie auch Wolf einen Lachsfladen hinstreckte.
    Wolf tat so, als sähe er es nicht.
    Renn überlegte, dann reichte sie Torak den Fladen herüber. Er rieb ihn zwischen den Handflächen, damit er mehr nach ihm als nach Fisch roch, dann bot er ihn Wolf an, der ihn prompt herunterschlang.
    Renn zuckte mit gespielter Gleichgültigkeit die Achseln. »Na, ich weiß ja, dass er mich nicht leiden kann.«
    »Das kommt davon, dass du ihn dauernd in irgendwelche Säcke steckst«, konterte Torak.
    »Es war doch nur zu seinem Besten.«
    »Das kann er nicht wissen.«
    »Dann sag’s ihm doch.«
    »So etwas kann man in der Wolfssprache nicht ausdrücken.« Torak biss wieder in seinen Lachsfladen. Dann stellte er die Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag. »Warum hast du ihn mitgebracht?«
    »Wen?«
    »Wolf. Du hast ihn heimlich aus dem Lager geschafft. Das war bestimmt nicht einfach. Warum?«
    Sie schwieg. Dann sagte sie: »Ich hatte das Gefühl, du brauchst ihn. Wie ich darauf komme, weiß ich auch nicht. Aber ich dachte, es könnte wichtig sein.«
    Er war in Versuchung, ihr zu erzählen, dass Wolf derjenige war, der ihn zum Berg führte, beherrschte sich aber. Er traute ihr nicht. Zwar hatte sie ihm geholfen, dem Rabenclan zu entwischen, aber das änderte nichts daran, dass sie ihm seine Waffen abgenommen und ihn als Feigling beschimpft hatte. Außerdem bedrohte sie ihn immer noch mit dem Messer.

    Die Klamm wurde steiler. Torak hielt es für besser, Wolf allein laufen zu lassen, und der Welpe tapste mit hängendem Schwanz vor ihnen her. Ihm gefiel die Kletterei genauso wenig wie Torak.
    Am späten Nachmittag erreichten sie einen Steilhang, der auf ein breites, bewaldetes Tal hinunterblickte. Weit hinten sah Torak einen Fluss zwischen den Bäumen glitzern.
    »Das Breitwasser«, erklärte Renn. »Der größte Fluss in diesem Teil des Waldes. Er kommt von den Eisflüssen in den Hohen Bergen, sammelt sich im Axtkopfsee, stürzt die Donnerfälle hinunter und mündet schließlich ins Meer. Dort schlagen wir im Frühsommer unser Lager auf und angeln Lachse. Wenn der Wind von Osten kommt, hört man manchmal die Fälle …« Sie verstummte.
    Torak nahm an, dass sie sich Sorgen machte. Ihre Sippe würde sie sicherlich dafür bestrafen, dass sie dem Gefangenen zur

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