Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
füllte es die Öffnung jedenfalls nicht ganz aus.
    Er erwog eben, sich einfach loszureißen, als er draußen vor dem Hügel Stimmen hörte. Noch waren sie leise, aber sie kamen näher.
    Torak erstarrte. Der Unbekannte ebenfalls.
    Das Knacken und Rascheln kam noch näher, bis es nur noch ungefähr drei Schritt entfernt war. »Das würde er nicht wagen«, sagte eine gedämpfte, ängstliche Männerstimme.
    »Vielleicht doch«, antwortete eine Frauenstimme flüsternd. »Er ist nicht wie alle anderen. Du hast ja gesehen, wie er Hord überlistet hat. Wer weiß, wozu er noch imstande ist!«
    Torak hörte feuchtes Moos unter Stiefelsohlen schmatzen. Er bewegte versehentlich den Fuß und stieß im Dunkeln gegen etwas Hartes. Es klirrte und er zuckte zusammen.
    »Schsch!«, zischte die Frau vor dem Hügel. »Ich hab was gehört!«
    Torak hielt den Atem an. Der Druck der Messerklinge verstärkte sich.
    »Krah!« Rabengekrächz hallte heiser durch die Bäume.
    »Dem Hüter gefällt es nicht, dass wir hier sind. Lass uns gehen. Du hast Recht, der Junge würde es nicht wagen.«
    Sie gingen. Torak wurde fast schwindlig vor Erleichterung.
    Nach einer Weile versuchte er, sich anders hinzuhocken, aber das Messer erlaubte es ihm nicht. »Bleib, wo du bist!«
    Die Stimme kam ihm bekannt vor. Das war doch Renn!
    »Du stinkst«, zischelte sie.
    Er wollte den Kopf drehen, doch das Messer hinderte ihn daran. »Wegen der Hunde«, erwiderte er flüsternd.
    »Die dürfen hier sowieso nicht hin, das ist verboten.«
    Torak überlegte. »Woher hast du gewusst, dass ich diesen Weg nehme? Und warum …«
    »Das hab ich gar nicht gewusst. Und jetzt sei endlich still. Vielleicht kommen sie noch mal zurück.«
    Nachdem sie eine halbe Ewigkeit reglos in der kalten, klammen Dunkelheit gekauert hatten, versetzte ihm Renn einen Tritt und befahl ihm aufzustehen. Torak überlegte kurz, ob er sich auf sie stürzen sollte, ließ den Gedanken aber sogleich wieder fallen. Bei einem Gerangel würden sie nur den Frieden der Ahnen stören. Deshalb schob er die Schieferplatte vom Eingang weg und kroch ins Freie. Niemand war zu sehen. Nicht mal ein Rabe.
    Nach ihm kam Renn auf allen vieren rückwärts aus dem Hügel gekrochen. Sie zog zwei Rückentragen aus Haselnussruten hinter sich her. Verblüfft duckte sich Torak in die Weidenröschen und sah zu, wie sie noch einmal in den Hügel schlüpfte und mit zwei zusammengerollten Schlafsäcken, zwei Köchern, zwei Bogen (in Fischhaut gewickelt, damit sie nicht feucht wurden) sowie einem zappelnden Ledersack wieder zum Vorschein kam.
    »Wolf!«, entfuhr es Torak.
    »Still!« Renn warf einen besorgten Blick in Richtung Lager.
    Torak zog den Sack auf, aus dem sofort ein verschwitzter, zerzauster Wolf herausschoss. Er schnupperte nur einmal flüchtig und wäre davongeflitzt, hätte ihn Torak nicht gepackt und ihm mit leisen Kläfflauten versichert, dass er, Torak, es tatsächlich war und kein mordlüsterner Vielfraß. Da verzog der Welpe die Lefzen zu einem breiten Wolfsgrinsen, wackelte zur Begrüßung mit dem ganzen Hinterteil und knabberte entzückt an Toraks Kinn.
    »Los jetzt«, befahl Renn.
    »Schon unterwegs«, gab Torak kurz angebunden zurück. Er riss ein paar feuchte Moospolster aus, wischte damit den ärgsten Kotbrei ab und schlüpfte in seine Stiefel, die Renn in weiser Voraussicht mitgebracht hatte.
    Als er sich umdrehte und nach seiner Trage greifen wollte, stellte er verwundert fest, dass Renn einen Pfeil eingelegt hatte und auf ihn zielte. Außerdem hatte sie sich seinen Köcher und Bogen über die Schulter gehängt und seine Axt und sein Messer in ihren Gürtel gesteckt.
    »Was machst du da?«, fragte er. »Ich dachte, du willst mir helfen.«
    Sie bedachte ihn mit einem abfälligen Blick. »Warum sollte ich? Für mich zählt nur meine Sippe, sonst gar nichts.«
    »Aber warum hast du mich dann vorhin nicht verraten?«
    »Weil ich ganz sichergehen will, dass du auch wirklich zum Berg des Weltgeistes willst. Wenn ich dich nicht dazu zwinge, ziehst du den Schwanz ein und läufst weg. Weil du nämlich ein Feigling bist.«
    Torak schnappte empört nach Luft. »Ein Feigling?«
    »Ein Feigling, ein Lügner und ein Dieb. Du hast unseren Rehbock gestohlen, du hast Hord überlistet, damit er den Zweikampf verliert, und du hast abgestritten, dass du der Lauscher bist, und das ist gelogen. Und dann bist du weggelaufen. Jetzt komm gefälligst!«

    Renns schussbereiten Pfeil im Rücken und ihre kränkenden Vorwürfe noch

Weitere Kostenlose Bücher