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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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wurde ganz still. »Tja«, meinte sie schließlich, »ich hätte es wohl genauso gemacht.«
    Torak wusste nicht, ob er sich nach diesem Geständnis besser oder schlechter fühlte. »Aber wie hättest du dich entschieden? Wärst du geblieben? Oder wärst du mich suchen gegangen?«
    Renn wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. Dann grinste sie ihn an. »Wer weiß? Aber vielleicht…. war ja auch das eine Art Prüfung. Nicht dass du den dritten Bestandteil der Nanuak findest, sondern ob du ihn für einen Gefährten aufs Spiel setzt.«

    Als Torak aufwachte, umgab ihn gedämpftes bläuliches Licht und er fand sich im ersten Moment nicht zurecht.
    »Das Unwetter ist vorbei«, sagte Renn. »Und ich habe einen steifen Hals.«
    Torak ging es genauso. Er lag zusammengekauert in seinem Schlafsack und wandte ihr den Kopf zu.
    Ihre Augen waren nicht mehr geschwollen, aber ihr Gesicht war knallrot und schälte sich. Wenn sie lächelte, tat es ihr offensichtlich weh. »Aua!«, krächzte sie. »Wir haben’s überlebt!«
    Er grinste ebenfalls und bedauerte es sofort. Sein Gesicht fühlte sich an wie mit grobkörnigem Sand gescheuert. Wahrscheinlich sah er nicht besser aus als Renn. »Jetzt müssen wir nur noch vom Eisfluss herunter«, meinte er.
    Wolf jaulte und wollte hinaus. Torak hackte ihm mit der Axt ein Loch. Licht strömte herein und Wolf schoss sofort nach draußen. Torak kroch hinterher. Er fand sich in einer glitzernden Welt aus Schneehügeln und schroffen, vom Wind geschnitzten Graten wieder. Der Himmel war leuchtend blau wie frisch gewaschen. Die Stille war überwältigend. Der Eisfluss hatte sich wieder schlafen gelegt.
    Ohne Warnung sprang Wolf ihn an und stieß ihn in eine Schneewehe. Bevor er sich aufrichten konnte, hüpfte ihm der Welpe auf die Brust, grinste ihn an und wedelte mit dem Schwanz. Lachend schlug Torak nach ihm, doch Wolf duckte sich weg, drehte sich mitten im Sprung und kauerte sich auffordernd hin. Komm spielen!
    Torak ging in die Hocke und ließ sich auf die Unterarme nieder. Na, dann los!
    Wolf stürzte sich mit einem Satz auf ihn, und schon wälzten sie sich im Schnee, wobei Wolf spielerisch zubiss und Torak an den Haaren zog und Torak ihn bei der Schnauze und am dicken Nackenfell packte. Schließlich warf Torak einen Schneeball hoch in die Luft, und Wolf vollführte einen seiner erstaunlichen Drehsprünge, schnappte sich den Schneeball und landete in einer Schneewehe, aus der er mit einem weißen Häufchen auf der Nase wieder hervorkam.
    Als Torak sich atemlos hochrappelte, hörte er Renn aus der Schneehöhle steigen. Sie gähnte. »Ich hoffe nur, dass es nicht allzu weit bis zum Wald ist. Was ist mit deinem Umhang passiert?«
    Er drehte sich um und wollte ihr erzählen, dass der Sturm den Umhang fortgerissen hatte, da blieb ihm das Wort im Halse stecken.
    Hinter der Schneehöhle, jenseits des Eisflusses im Osten, schimmerten die Hohen Berge. Sie waren beängstigend nah.
    Erst hatte sie der Nebel tagelang verhüllt, dann hatten die hohen Eisklippen sie verdeckt. Jetzt, im kalten, klaren Licht, schienen sie den ganzen Himmel zu verschlucken.
    Torak wurde es flau. Zum ersten Mal waren sie nicht nur ein dunkler Streifen am Horizont. Er stand nun dicht vor ihnen, sah ganz deutlich die gewaltigen, himmelstürmenden Eiswände und schwarzen Gipfel, die sich in die Wolken bohrten, spürte ihre bedrohliche Macht. Sie waren die Heimstatt der Geister, nicht der Menschen.
    Einer dieser Gipfel ist der Berg des Weltgeistes, dachte er. Der Berg, den zu suchen ich geschworen habe.

Kapitel 27

    DAS ROTE AUGE stieg unbeirrt. Torak blieben nur noch wenige Tage, um den Berg zu finden.
    Und wenn er ihn fand – was dann? Was genau sollte er mit der Nanuak anfangen? Wie sollte es ihm gelingen, den Bären zu vernichten?
    Renn kam durch den knirschenden Schnee zu ihm herübergestapft. »Komm schon«, sagte sie. »Wir müssen vom Eisfluss herunter und in den Großen Wald zurück.«
    In diesem Augenblick schreckte Wolf zusammen, lief eine Schneewehe hinauf und drehte die Ohren den Ausläufern des Gebirges zu.
    »Was ist denn?«, flüsterte Renn. »Was hat er gehört?«
    Da hörte Torak es auch: ferne Stimmen in den Bergen, die sich im unbändigen Gesang des Wolfsrudels ineinander woben.
    Wolf warf den Kopf zurück, reckte die Schnauze gen Himmel und heulte: Hier bin ich! Hier bin ich!
    Torak war erstaunt. Warum heulte er ein fremdes Rudel an? Einzelgänger taten so etwas nicht, sie gingen fremden Wölfen eher

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