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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Auerochse loderte. »In wenigen Tagen ist der Bär so stark, dass ihn niemand mehr besiegen kann. Wir können kein Sippentreffen einberufen, dazu reicht die Zeit nicht mehr. Ich muss es jetzt sofort entscheiden, im Namen aller Sippen.«
    Außer dem Zischen und Knacken des Feuers war kein Laut zu vernehmen. Die Raben hingen förmlich an seinen Lippen.
    »Es gibt viele unter uns«, fuhr Fin-Kedinn fort, »die finden, es sei Wahnsinn, unser Schicksal einem Kind anzuvertrauen.«
    Hord sprang auf. »Es ist auch Wahnsinn! Ich bin der Stärkste! Lass mich zum Berg gehen und mein Volk retten!«
    »Du bist aber nicht der Lauscher«, warf Torak ein.
    »Was ist mit dem zweiten Teil der Weissagung?«, fragte Saeunn mit ihrer krächzenden Rabenstimme. »›Der Lauscher opfert dem Berg sein Herzblut‹ – würdest du das tun?«
    Torak holte tief Luft. »Wenn es nötig ist, ja.«
    »Es gibt noch einen anderen Weg!«, rief Hord. »Wir töten ihn und ich bringe dem Berg sein Blut! Das ist genauso gut!«
    Zustimmendes Gemurmel war die Antwort.
    Fin-Kedinn erbat sich mit erhobener Hand Schweigen. Dann wandte er sich an Torak. »Du hast immer abgestritten, der Lauscher zu sein. Wie kommt es, dass du jetzt so versessen darauf bist?«
    Torak reckte das Kinn. »Der Bär hat meinen Vater getötet. Zu diesem Zweck wurde er erschaffen.«
    »Es geht hier um Größeres als Rache!«, höhnte Hord.
    »Und um Größeres als Eitelkeit«, gab Torak zurück. Zu Fin-Kedinn gewandt, sagte er: »Es ist mir gleich, ob ich der Retter meines Volkes bin oder nicht. Welches Volk überhaupt? Ich bin meiner Sippe nie begegnet. Aber ich habe meinem Vater versprochen, den Berg zu suchen. Ich habe einen Schwur abgelegt.«
    »Wir vertun nur unsere Zeit!«, sagte Hord unwirsch. »Gebt mir die Nanuak und ich erledige die Sache.«
    »Und wie?«, fragte eine leise Stimme.
    Es war Renn.
    »Wie willst du den Berg finden?«, fragte sie.
    Hord zögerte.
    Renn erhob sich. »Es heißt, es ist der fernste Gipfel am nördlichsten Ende der Hohen Berge. Wir befinden uns hier am nördlichsten Ende der Hohen Berge. Wo ist er also?« Sie spreizte die Hände. »Ich weiß es nicht.« Sie sah ihren Bruder an. »Weißt du’s?«
    Er knirschte mit den Zähnen.
    Sie wandte sich an Saeunn. »Und du? Auch nicht. Und dabei bist du die Schamanin.« Sie drehte sich nach Fin-Kedinn um. »Du vielleicht?«
    »Nein.«
    Renn zeigte auf Torak. »Nicht einmal er, der Lauscher, weiß, wo wir den Berg suchen sollen.« Sie machte eine Pause. »Aber es gibt jemanden, der es weiß.« Jetzt sah sie Torak direkt an, bohrte ihren Blick in seinen.
    Er begriff, was sie meinte. Kluge Renn, dachte er. Aber nur, wenn es klappt…
    Er legte die Hände an den Mund und heulte.
    Die Raben sahen ihn staunend an. Die Lagerhunde sprangen auf und veranstalteten ein Riesenspektakel.
    Torak heulte noch einmal.
    Da kam ein grauer Blitz über die Lichtung gesaust und stürzte sich auf ihn.
    Die Leute tuschelten und zeigten mit den Fingern auf ihn, die Hunde tobten, bis die Männer sie wegscheuchten. Ein kleines Kind lachte.
    Torak kniete sich hin und vergrub sein Gesicht in Wolfs Fell. Dann leckte er dem Welpen dankbar über die Schnauze. Es hatte Wolf viel Mut abverlangt, seinem Ruf zu folgen.
    Als die Aufregung nachließ, hob Torak den Kopf. »Nur Wolf kann den Berg finden«, sagte er zu Fin-Kedinn. » Er hat uns so weit geführt. Nur mit seiner Hilfe haben wir die Nanuak überhaupt gefunden.«
    Der Anführer der Raben strich sich den roten Bart.
    »Gebt mir die Nanuak zurück«, bat Torak. »Lasst sie mich dem Weltgeist bringen. Anders geht es nicht.«
    Das Feuer knackte und fauchte. Von einer nahen Rottanne rutschte Schnee herab. Die Raben warteten auf die Entscheidung ihres Anführers.
    Endlich hob Fin-Kedinn die Stimme. »Wir statten dich mit Nahrung und Kleidung aus. Wann willst du aufbrechen?«
    Torak stieß erleichtert den angehaltenen Atem aus.
    Renn nickte ihm zu.
    Hord beschwerte sich lautstark, doch Fin-Kedinn brachte ihn mit einem kurzen Blick zum Schweigen. Wieder richtete er das Wort an Torak. »Wann willst du aufbrechen?«
    Torak schluckte. »Hmm … morgen?«

Kapitel 29

    MORGEN WÜRDEN SICH Torak und Wolf in den Wald aufmachen, in dem der Bär sein Unwesen trieb.
    Doch selbst wenn sie den Berg erreichten – was sollte Torak dort tun? Sollte er die Nanuak einfach auf den Boden legen? Den Weltgeist bitten, den Bären zu vernichten? Oder versuchen, selbst mit ihm zu kämpfen?
    »Willst du neue Stiefel

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