Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
dachte mir schon, dass es dir was ausmachen würde, und ich hatte Recht. Ich bin nicht mehr unschuldig. Männern ist das sehr wichtig, nicht wahr? Ich möchte nicht, dass du böse auf mich bist, aber ich will dich auch nicht anlügen. Ich bin keine Jung…“
„Wer hat dir die Unschuld geraubt?“ , stieß ich hervor.
Sofort kauerte sie sich noch weiter zusammen. Sie trug ihre Würde wie eine ramponierte Rüstung vor sich her. „Es tut mir leid, aber verstehst du jetzt? Ich wollte es nicht, das ist die Wahrheit, ich habe versucht, ihn abzuwehren, abe r …“
„Dein Stiefvater? Oder die Wachmänner?“
Sie kaute nur auf ihrer Unterlippe herum.
Das hübsche Mädchen aus Balchattan. Sie war so verdammt hübsc h …
„Es waren die Wachen, richtig?“, mutmaßte ich.
„Ja.“
„Aber wie kannst du dann gesündigt haben?“
Ihr verständnisloser Blick machte mich so wütend, dass ich sie am liebsten geohrfeigt hätte. Stattdessen streichelte ich ihr sanft über die Wange und fuhr mit den Fingern vorsichtig über ihr stoppeliges Haar. Sie war fluchtbereit wie ein Reh, das den Jäger erblickt hat, aber sie wich mir nicht aus.
„Liebe ist keine Sünde.“ Ich erstickte fast an meinem heruntergeschluckten Zorn, aber hätte ich ihm freien Lauf gelassen, wäre sie auf der Stelle davongelaufen und nie wieder zurückgekommen. Ich strich ihr weiter übers Haar. „ Sünde? Nein, Liebe ist etwas Heiliges! Vergänglich zu sein, zu wissen, dass man eines Tages sterben wird, und trotzdem zu lieben, das ist wahre Erfüllung. Ich wünschte, der Priester, der dich auf den Scheiterhaufen bringen wollte, könnte in der Hölle schmoren, aber die gibt es leider nicht. Die einzige Hölle, die es gibt, Catriona, ist diejenige, die wir beide uns selbst bereiten, wenn wir aus Furcht der Liebe abschwören. Der Priester wird in seinem Grab verwesen, so wie wir eines Tages auch. Die Würmer werden ihn langsam auffressen, so wie uns eines Tages, wenn uns keine barmherzige Seele den Raubtieren vorwirft. Den Würmern gehört die Zukunft, den Würmern gehört diese Erde. Liebe, solange du lieben kannst.“
Ich musste Luft holen. So viele Wörter hatte ich vermutlich noch nie am Stück gesprochen, mein Gesicht glühte regelrecht. Catriona musste mich für wahnsinnig halten.
Vielleicht aber auch nicht. Sie ließ die Arme sinken, beugte sich zu mir und berührte meine Lippen mit ihren Fingern. Unwillkürlich stöhnte ich auf und war selbst überrascht, als ich ihre Finger in den Mund nahm und ihre Haut schmeckte. Dann küsste sie mich.
Als unsere Lippen voneinander ließen, umschlang ich ihre Finger mit den meinen. „Ist es noch zu früh?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Ich werde dir nicht wehtun.“
„Ich weiß.“
Wir breiteten die dünne Decke über den Heidelbeersträuchern aus, wo die Sonne unsere nackten Körper wärmen konnte, und dann gaben wir uns unserer Liebe hin.
29. Kapitel
C onal kam am nächsten Abend zum ersten Mal wieder in die große Halle. Er war immer noch ausgemergelt und ein Schatten seiner selbst, aber offenbar gut genug beisammen, um Streit mit mir anzufangen. Ich ging ihm eine Weile aus dem Weg. Das war nicht schwer, da er von seinen Hauptleuten umringt war, zu denen sich noch eine Schar Frauen und Männer gesellte n – und ein Mädchen, das ihn besonders anhimmelte.
Na ja, Mädchen . Conal hatte offensichtlich bemerkt, dass Eili inzwischen zur Frau gereift war. Mir war es schließlich auch aufgefallen. Nun stieg ihm die Schamesröte ins Gesicht, wenn sie ihn zu lange ansah, aber jedes Mal, wenn er betreten woanders hinschaute, wanderte sein Blick kurz darauf unwillkürlich wieder zu ihr. Mich brachte das zum Lache n – ein Zeichen dafür, dass ich über sie hinweg war. Armer Conal. Der Gedanke, dass sie jetzt eine ausgewachsene Sithe-Frau war, war ihm eindeutig nicht geheuer. Und mir war klar, dass er den Kampf verlieren würde. Und arme Eili: Er würde sie bis zu ihrem zwanzigsten Geburtstag nicht anfassen, wahrscheinlich noch länger. Sie konnte sich jetzt schon auf drei lange, entbehrungsreiche Jahre in Keuschheit gefasst machen.
Mir hingegen blieb das erspart.
Catriona hielt sich stets in meiner Nähe auf, was mir jetzt nichts mehr ausmachte. Ganz im Gegensatz zu Fox’ vielsagenden und Eilis beizeiten ungläubigen Blicken. Frasers derbe Zoten über die Vollsterblichen und „stille Wasser, die bekanntlich tief“ seien, die er in Whiskylaune zum Besten gab, ertrug ich ebenso wenig. Das
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