Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Gleichberechtigung“, sagte ich zynisch. „Anderweltler sind doch auch Menschen, oder nicht? Und damit genauso gut wie wir.“
Selbst in der zunehmenden Dunkelheit konnte ich die roten Flecken in seinem Gesicht ausmachen. Ich hatte seinen wunden Punkt erwischt.
„Damit hat das nichts zu tun“, entgegnete er, „rein gar nichts.“
„Sondern?“
„Du weißt, was eine Vermählung ist, oder?“
„Natürlich weiß ich das“, sagte ich gereizt.
„Dann lass es sein, bitte! Man bindet sich nur ein einziges Mal, und zwar auf Leben und Tod. Eure Seelen werden miteinander verbunden sein. Es gibt kaum jemanden, der eine Trennung überlebt.“
„Aber es kommt vor. Außerde m … Wer sagt denn, dass ich mich vermählen will?“ Ich spürte einen kühlen Hauch im Nacken, als würde mir das Schicksal gerade eine Warnung zuflüstern, aber ich war zu sehr in Rage, um ihm Beachtung zu schenken. „Ich will gar nicht, dass mich irgendjemand erkennt, verstehst du? Egal wer! Ich möchte nicht, dass jemand meine Seele auslotet, allein die Vorstellung ist mir schon zuwider. Ich will nicht erkannt werden!“
„Ich kenne dich, Seth. Du bist impulsiv. Selbst, wenn du dich nicht vermähls t …“
„Was? Sprich doch weiter!“
Er drehte sich beschämt weg. „Du wirst sie schon noch kennenlernen, Seth. Die Vollsterblichen. Was können sie dir denn bieten? Sie können dich nicht verstehen, sie können nicht in dich hineinsehen.“
„Oh doch, sie kann es!“
„Nicht so wie Sinead. Wenn du sie ließest.“
„Wer sagt denn, dass ich das jemals tun würde?“ Ich hätte Conal am liebsten vor die Füße gespuckt, aber ich hielt mich im Zaum. Die Beleidigung hätte Sinead gegolten und sie wollte ich nicht verletzen. „Ist es das, worum es dir wirklich geht?“
„Sie würde dir schnell langweilig werden, Seth. Die Liebe hält nicht ewig. Du würdest weiterhin in allen Jagdrevieren wildern und ein kurzes Leben nach dem anderen verzehren, eine kurze Liebe nach der anderen.“
„Hör auf, mich zu bevormunden.“ Jetzt spuckte ich doch, aber zur Seite, um ihn nicht über Gebühr zu beleidigen. „Keine Sorge, ich werde mich nicht vermählen; nicht mit ihr, nicht mit Sinead. Wahrscheinlich werde ich mich überhaupt nie vermählen. Und jetzt besorg mir endlich was zu trinken. Oder wie gedenkst du, diese Beleidigungen wiedergutzumachen?“
Ein Lächeln huschte ihm übers Gesicht, als er langsam auf mich zukam und mich schließlich umarmte. Ich drückte ihn fest an mich und ließ meinen Tränen freien Lauf.
„Ich liebe dich“, sagte ich, „aber halt dich aus meinen Frauengeschichten raus.“
„Ich liebe dich auch, dich und dein loses Mundwerk. Eigentlich sollte ich dir eine runterhauen, aber ich hole uns mal lieber etwas zu trinken.“ Wir sahen uns nicht an, als wir uns aus der Umarmung lösten. „Ich brauche jetzt nämlich auch was Kräftiges.“
Ich tat also das einzig Richtige. Und es tat damals so weh, das Richtige zu tun, dass ich späte r – sehr viel späte r – deswegen das Falsche tat.
Obwohl, nein. Nicht einmal jetzt kann ich es als „falsch“ bezeichnen. Mein Gewissen versuchte mich davon abzuhalten, aber als es sich zu lautstark zu Wort meldete, zwang ich mich, an Leonora zu denken. Ich dachte daran, um wie viele Jahre sie Griogair überlebt hatte, und war davon überzeugt, dass es einer anderen Frau genauso gehen könnte. Dass eine andere, die Leonora in so vielen Dingen so ähnlich war, nach dem Tod ihres Vermählten noch lange, lange Jahre weiterleben konnte. Ich redete mir ein, dass sie mich überleben und wieder glücklich werden könnte. Auf diese Weise überzeugte ich mich selbst.
Aber das alles lag an jenem Tag noch in weiter Ferne. Damals jedenfalls, in Catrionas Fall, tat ich das einzig Richtige.
In jener Nacht lagen wir beieinander. Sie hatte ihren Rücken gegen meine Brust geschmiegt, ich hatte meinen Arm um sie gelegt. Ihr Körper passte sich dem meinen perfekt an. Obwohl sie mir den Rücken zukehrte, spürte ich ihr Lächeln, als sie sich den kleinen geschnitzten Wolf von meinem Nachttisch nahm.
„Meine Finger sind schon gut verheilt“, sagte sie. „Ich könnte ihn hübscher machen.“
„Tu’s nicht“, antwortete ich. „Er gefällt mir so, wie er ist.“
„Oh. Gut.“ Sie stellte ihn vorsichtig wieder auf den Tisch. „Kann ich dich was fragen?“
„Hm-hm.“
„Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mein Haar so lasse?“
Darauf wusste ich keine Antwort. Ich runzelte
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