Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
waren beide entsetzt, als Catriona mitten im Satz abbrach und quer durchs Zimmer zu der Schüssel lief, in die sie sich geräuschvoll übergab, bis ihr Magen leer war. Conal sprang auf die Füße, aber sie funkelte ihn so wütend an, dass er verharrte und sich wieder mir zuwandte.
„Was ist denn los mit ihr?“, flüsterte er. „Götter, sie ist doch nicht etwa krank, Seth?“
Ich schaute Catriona an. In mir tobte ein großer Schmerz und der rührte nicht von den Verletzungen her.
„Sie hat ein Kind im Bauch“, sagte ich geradeheraus.
Er kniete sich wieder neben mich und legte seine Hand sanft auf meinen Arm.
„Das tut mir leid, Seth.“
„Hör endlich auf, dich ständig zu entschuldigen.“ Ich zuckte zusammen. Ich hatte mir beim Sprechen auf die Lippe gebissen und bemerkte erst jetzt, wie geschwollen und empfindlich sie war. „Da kann man nichts mehr machen“, sagte ich und fügte verbittert hinzu: „Gegen nichts kann man jetzt noch etwas machen.“
„Aber es könnte gesund sein. Manchmal funktioniert es, denk an Ma Sinclair! Du hast gutes Blut, Seth, d u …“
„Kinder von Sithe und Anderweltlern überleben mit derselben Wahrscheinlichkeit, mit der Schaukelpferde Pferdeäpfel produzieren. Das weißt du genauso gut wie ich. So viel Glück habe ich einfach nicht. Und sie auch nicht.“
Er wollte etwas entgegnen, rieb sich aber nur die Schläfen. „Hast du ihr das schon gesagt? Hast du es ihr erklärt?“
„Ich hab’s versucht.“
Mehr brachte ich nicht heraus. Meine Kehle versagte mir den Dienst.
Was hätte ich ihr auch sagen sollen? Sie war überglücklich. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Schwangerschaft überhaupt möglich wäre. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass sie sich keine falschen Hoffnungen machen durfte, aber sie hörte mir nicht zu. Ein paar Wochen später brach es ihr das Herz, als das Kind in ihr starb. Später brach es dann ein zweites Mal. An jenem Tag lagen sie noch in weiter Ferne, meine toten Kinder, doch im Gegensatz zu Catriona musste ich nie den Schmerz enttäuschter Hoffnung ertragen, weil ich mir keine Hoffnung gemacht hatte.
Ich begrub die beiden Kinder an Catrionas Stelle. Beim ersten gab mir Angus widerspruchslos einen Tag frei, damit ich mich weit genug von Kates Höhlen entfernen konnte. Ich wollte nicht, dass die Seele des Kinde s – wenn es eine haben sollt e – in Kates Gefilden herumspuken müsste. Trotz meines Glaubens oder dem bisschen, was davon übrig war, beerdigte ich das Kind. Catrionas Glaube war sehr viel stärker und sie glaubte an so viele Dinge.
Einen Tagesritt in Richtung unserer Festung, hoch auf einem Plateau gelegen, stand ein alter Steinkreis. Die Steine waren längst nicht mehr geometrisch angeordnet; einige waren umgefallen, andere von Blitzen zersprengt worden, wiederum andere ragten noch immer senkrecht in den Himmel. Ich mochte die Stimmung, die an diesem Ort herrschte. Hier begrub ich meinen ersten Sohn, um seinen winzigen, unfertigen Körper seiner trauernden Mutter zuliebe nicht den Raubtieren auszuliefern. Ich hatte gewusst, dass er sterben würd e – all unsere Kinder würden sterbe n –, daher versuchte ich auch gar nicht erst, um ihn zu weinen.
34. Kapitel
N ur selten erreichten uns Nachrichten aus unserer Festung. Hin und wieder schnappten wir ein paar Gesprächsfetzen auf, kamen uns Gerüchte und Gegengerüchte zu Ohren. Die fruchtbarste Quelle waren Gespräche zwischen Calman Ruadh und Kate, aber die beiden schmückten Neuigkeiten mit so viel Klatsch und Tratsch aus, dass Informationen aus ihrem Munde alles andere als verlässlich waren.
Conals Clan sei gehorsam, so hörten wir, sehr fleißig und treu ergeben. Ich wusste, dass unsere Leute Conal treu ergeben gewesen waren. Es sah ihnen ganz und gar nicht ähnlich, einem Mann wie Calman Ruadh treuherzig zu dienen. Das war eindeutig nicht der Clan, den ich kannte und liebte. Mein Bruder stürzte sich begierig auf jedes neue Gerücht, fürchtete sich aber gleichzeitig auch davor.
Ewan hatte mit Kenna eine Blutsverwandte in der Festung. Conal bedrängte ihn ohne Unterlass mit der Frage, ob er neue Nachricht habe, aber Ewan wich ihm mit der Zeit immer mehr aus. Als Conal schließlich der Geduldsfaden riss und er den Jungen regelrecht niederschrie, musste Ewan kleinlaut gestehen, dass er fast ebenso wenig von seiner Mutter gehört hatte wie wir. Es schien ihr gut zu gehen. Sie hatte sich zurückgezogen. Und er meinte, sie versuche etwas vor ihm zu verbergen.
Conal
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