Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
Mauer hinter ihr hockte ihr Rabe. Eine leichte Brise wirbelte seine Flügelspitzen und die spitzen Federn an seinem Hals auf, aber davon abgesehen saß er unnatürlich still da und musterte die Leichen mit seinen listigen, marmorschwarzen Augen.
    Unter den stummen Blicken des Clans nahm Leonora ein Messer aus ihrem Gürtel, schnitt sich den Zopf ab und legte ihn auf den Leichnam ihres Geliebten. Als er weggebracht wurde, um den Bussarden geopfert zu werden, dachte ich, dass nun auch der Rabe wegfliegen würde, aber er rührte sich nicht vom Fleck.
    Leonora legte eine Hand auf Conals Zaumzeug und sah zu ihrem Sohn auf.
    „Gehst du mit Griogair?“, fragte er kaum hörbar.
    „Nein“, antwortete sie. Ihre Stimme klang ruhig und fest. „Noch nicht. Ich werde hier gebraucht.“
    Ich konnte trotz allem Conals Neugier spüren. „Wer ist es?“
    „Ich weiß es nicht. Wer immer es sein mag, er ist noch nicht geboren. Aber ich muss hierbleiben.“
    „Möchtest du von nun an die Führung übernehmen?“, fragte er.
    „Nein, ich verzichte darauf. Die Festung gehört dir.“
    „In Ordnung.“
    Leonora musterte ihn eindringlich. „Das bedeutet, dass du nicht länger Kate unterstehst.“
    „Natürlich. Das weiß sie auch.“
    „Ja, das weiß sie.“ Leonora wirkte nachdenklich. „Eine Schande, dass sie das nicht vorhergesehen ha t …“
    Ihr Blick schoss zu mir herüber, als wäre ihr gerade erst wieder eingefallen, dass ich auch da war, und sie schluckte die Worte, die ihr noch auf der Zunge lagen, hinunter. Aber es interessierte mich ohnehin nicht. Ich war von den Schreckensbildern noch immer wie benebelt und wusste nur eines: Conal war wieder da, er würde Herrscher über die Festung sein, ich würde ihn wieder zurückbekommen. Und obwohl ich wusste, dass die Vögel bereits an meinem Vater pickten und an Fox’ und Eilis Vater, konnte ich nicht umhin, das aufkeimende Glück in meinem Herzen zu spüren.
    Wie ich bereits sagte: Ich war nun mal ein Optimist.

8. Kapitel

    I n den nächsten Wochen war ich mit meinem Leben so zufrieden wie noch nie zuvor, so glücklich, wie ich es mir nur vorstellen konnte. Jetzt, da Conal über die Festung herrschte, betrachteten mich nur noch wenige aus dem Clan als lebende Beleidigung an ihn. Dennoch gab es einige, die mir misstrauten, weil ich der Sprössling einer Hexe war. Leonora ignorierte mich weiterhin. Kenna gab die Hoffnung auf, sie könnte aus mir eines Tages einen Silberschmied machen, während Ryan mir viel Zeit und Muße widmete, um mich das Geigen- und Mandolinenspiel zu lehren. Ich war zwar kein musikalisches Wunderkind, hatte aber eine schnelle Auffassungsgabe, sodass ich schon bald ein paar Melodien beherrschte. So wurde ich zu einem willkommenen Gast bei den abendlichen Versammlungen.
    Nach wie vor musste ich mir Carneys bissige Bemerkungen anhören, und offensichtlich bereitete es ihm großes Vergnügen, mich immer wieder zu vermöbeln. Aber das machte mir nichts aus, denn es diente einem Zweck, und ich wurde mit jedem Tag besser. Immer noch erwischte Carney mich öfter als ich ihn, aber mit jeder Übungsstunde wurden die Kämpfe weniger einseitig. Es kam der Tag, an dem Carney liegen blieb, um zu Atem zu komme n – kein Wunder, ich drückte ihm ja auch meine stumpfe Schwertspitze an die Kehle. Dann warf er sein altes umwickeltes Schwert in den Sand und grinste mich an, und plötzlich wusste ich, was er längst wusste: dass ich eines Tages besser sein würde als er. Besser als alle anderen. Vielleicht nicht besser als Eili oder nur gleich gut, aber mich trieb ohnehin ein anderer, viel peinlicherer Ehrgeiz an, den ich vor allen verborgen hielt: Ich wollte besser sein als Conal. Ich liebte ihn, aber ich wünschte mir immer noch, endlich beweisen zu können, dass auch ich Griogairs Sohn war, und zwar nicht nur der nichtsnutzige.
    Wenn ich nicht übte, es aber auch nicht schaffte, mich davonzuschleichen und auf eigene Faust herumzustromern, wurden wi r – Eili, Sinead, Fraser und ic h – zum Jagen eingeteilt. Für mich war das keine Arbeit; ich war beim Fischen und Kaninchenfangen schon immer gut gewesen. Ich hatte schnell raus, wie man mit Pfeil und Bogen umgehen musste, sodass ich schon mal den einen oder anderen Bock erwischte, wenn wir uns weit genug von der Festung entfernten. Fox hatte mir beigebracht, wie man Möwen und Lummen fing; die schmeckten zwar nicht besonders, aber ihre Federn eigneten sich gut für Pfeile. Und das Sammeln von Meeresgetier war immer

Weitere Kostenlose Bücher