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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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hätte, hätten sie mich bemerkt und schreckliche Strafen wären mir gewiss gewesen. Aber Kampfgeräusche sind ja unverwechselbar. Unerträglich, unüberhörbar und unverwechselbar.
    Sieben Meilen landeinwärts Richtung Süden lagen mehrere Äcker, die zum Herrschaftsgebiet meines Vaters gehörten. Griogair bekam regelmäßig Getreide und Fleisch in die Festung geliefert und sorgte im Gegenzug für die Sicherheit der Bauern. Ihre Hütten drängten sich um einen uralten Brunnen, der in den Boden eingelassen war und zu dem man über eine kurz geschorene, steil abfallende Wiese gelangte. Es sah aus, als versuchte die Erde, sich selbst zu verschlingen. Der aus feuchten grünen Steinen gemauerte und überdachte Brunnen war nie ausgetrocknet und das Wasser schmeckte süßlich und frisch. Das wusste ich, weil einer der Bauern mir den Brunnen einmal gezeigt und mir einen Humpen Wasser daraus geschöpft hatte. Es war an einem heißen Tag gewesen, ich war neun Jahre alt, schon meilenweit gelaufen und halb tot vor Hunger und Durst. Der Mann hatte laut gelacht, als ich einen Becher Wasser nach dem anderen leerte, bis es mir wieder hochkam und ich grinsend zu trinken aufhörte. Dann gab er mir ein Stück Brot und Trockenfleisch, einfach nur, weil ich ihn zum Lachen gebracht hatte.
    Ich stieg über seine Leiche hinweg und ging hinter seiner Hütte in Deckung. Ich wusste, dass es die Leiche des Bauern von damals war, denn ich erkannte das zur Grimasse verzerrte Gesicht und das rote Haar sofort wieder. Und der Kopf, der auf dem Zaun aufgespießt war, passte zum Rest des Körpers, der zu meinen Füßen lag.
    Plötzlich überkam mich ein mulmiges Gefühl. Es war in der Tat nur ein Gefühl, denn ich wagte es immer noch nicht, meinen Geist einzusetzen. Aber eines spürte ich deutlich: Es ging hier längst nicht mehr darum, mich vor einer Standpauke von Fox’ Vater oder meinem eigenen zu drücken. Ich verließ mein Versteck nicht, weil ich keine Lust hatte, dass mein Kopf der nächste sein würde, der auf dem Zaun aufgespießt wurde. Ich warf einen letzten Blick auf den toten Bauern, dessen Gesichtsausdruck bezeugte, dass er keinen schönen Tod gestorben war.
    Was nützte es, eine wilde Kreatur zu sein, wenn man sich nicht auf seine Instinkte verlassen durfte? Ich trat mitten auf den blutbesudelten Hof und lauscht e – diesmal mit allen Sinnen.
    Es war inzwischen fast dunkel, der Tag nur noch ein perlmuttfarbener Streifen am Horizont. Meine Augen konnte ich also vergessen. Doch ich verließ mich auch nicht länger auf meinen Geist. Ich vergaß all meine Ängste und Befürchtungen und begann die Schlacht zu riechen und zu spüren. Und zu hören. Das war nicht schwer, denn das Kampfgetümmel kam immer näher. Aber das konnte nur bedeuten, dass mein Vater sich auf dem Rückzug befand!
    Mittlerweile machte ich verschiedene Stimmen aus, vereinzelte Schreie, die sich über das Getöse und das Kreischen von Metall auf Metall erhoben. Einige Stimmen erkannte ich, sie klangen voller Panik im Angesicht der Niederlage. Und dann hörte ich Stimmen, die ich nicht kannte und die schnell zu wildem Triumphgeheul anschwollen.
    Ich rannte los.
    Das Problem war nur, dass ich nicht weit genug rannte und zudem in die falsche Richtung. Bis hierher hatten meine Instinkte mich getragen, aber nun, da mich eine Welle der Angst erfasste, ließen sie mich im Stich. Ich rannte auf eine Gruppe windgepeitschter Kiefern z u – und wusste sofort, dass dies eine tödliche Falle war. Ich rannte denselben Weg zurück und plötzlich wurde mir klar, dass ich in der Moorlandschaft meilenweit zu sehen sein würde und dass mein Feind beritten war. Und so stand ich mehrere entsetzliche Sekunden und Minuten lang wie erstarrt da, während die Angst meine Muskeln in Eis und meine Eingeweide in Wasser verwandelte, stand da inmitten der zerstörten Hütten und ihrer toten Bewohner und konnte mich nicht bewegen.
    Ich weiß nicht, welchem Impuls ich schließlich folgte, als ich zum Brunnen lief. Es war ein Ort, an dem man perfekt umzingelt und gestellt werden konnte, aber gleichzeitig war es auch ein gutes Versteck. Ich spürte fremde Gedanken, die anderen Gedanken nachjagten, aber ich war inzwischen besser darin, meine Gedanken abzuschirmen. Wenn ich Kilrevin lange genug widerstand, würde Conal mich finden. Natürlich würde er mich finden. Er würde kommen, um mich zu holen. Das hatte er doch gesagt.
    Aber ich konnte nicht nach Conal rufen, trotz dieser verheerenden Niederlage.

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