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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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den schwierigen Zeiten anpassen und so fügte auch er sich den neuen Zeiten, denn nicht einmal die Vollsterblichen selbst schienen zu wissen, was ihr Gott von ihnen wollte. Priester, die sich nun Seelsorger nannten, verjagten Priester, die sich immer noch Priester nannten, woraufhin Letztere entweder klein beigabe n – wie diese r – oder wegliefen. Worum es bei diesem Konflikt ging, verstand ich nicht so richtig. Offensichtlich war nur, dass die neuen Gottesmänner großen Wert auf sexuelle Enthaltsamkeit und weniger Wert auf Tanzen und Trinken legten. Meinetwegen hätten sie alle zusammen in eine Handkarre steigen und zur Hölle fahren können, wo es mit Sicherheit keine Tänze und somit auch keinen Anlass zum Streit gegeben hätte.
    Zumindest hatte dieser Seelsorger sich nicht vom Zehnt seiner Gemeinde fett gefressen, und ich fand es faszinierend, wie grau seine Haare waren, obwohl doch noch so viel Leben in ihm steckte. Und er mochte Conal vom ersten Augenblick an. Wer meinen Bruder mochte, konnte so verkehrt nicht sein, davon abgesehen beging der Mann nie den Fehler, mich zu seinem Glauben bekehren zu wollen. Wenn ich nach Hause kam, saß er öfter mit Conal auf ein Glas zusammen und unterbreitete ihm seine biegsame Philosophie. Er nickte mir zu und lächelte ernst, aber das war auch schon alles. Ich nickte zurück, lächelte gelegentlich und dann suchte ich mir wieder eine sinnvolle Beschäftigung. Wahrscheinlich hielt er mich für schwachsinnig, aber das war mir egal.
    „Hast du ihm gesagt, dass du mir das Lesen beibringen willst?“
    „Nein.“ Conal warf mir einen vernichtenden Blick zu. „Ich erzähle niemandem etwas über dich. Das willst du doch so, oder nicht?“
    „Ja. Und was steht da?“ Ich stieß mit dem Finger auf den gewellten Ledereinband eines der Bücher, in den Hieroglyphen geprägt waren, die ich noch nicht entziffern konnte.
    Conals Miene verfinsterte sich.
    „Dämonologie“ , sagte er mit eisiger Stimme. Aber ich spürte, dass seine Wut sich nicht gegen mich richtete. „Das ist ein Buch, das man lesen muss, nicht lesen will. Genau wie dieses hier: Malleus Maleficarum . Aber wir fangen lieber mit etwas anderem an.“
    „In Ordnung.“ Ich zuckte mit den Schultern.
    Er lachte angestrengt, als wollte er sich selbst aufmuntern, dann zog er ein anderes Buch hervor. „Also los, lass uns anfangen. Du wirst es nicht bereuen.“
    Conal sollte Recht behalten. Im Nachhinein war ich froh darüber, dass er mir Lesen und Schreiben beigebracht hatte, denn es war mir mehr als einmal von Nutzen. Damals mit vierzehn hätte ich das natürlich nie zugeben wollen, denn ich dachte ja ohnehin, ich wüsste alles besser. Zu meinem Leidwesen beließ Conal es nicht dabei, mich Lesen und Schreiben zu lehren. Er versuchte mir etwas über Politik beizubringen, über Philosophie, über die moderne Welt und darüber, wie die Vollsterblichen sie erbaut hatten, welche Dinge die Sithe anders machten und warum.
    Dazu musste er mich auch in alter Geschichte unterrichten: So erfuhr ich, dass unsere weiblichen Vorfahren klug genug gewesen waren, die Entwicklung der Beziehungen zwischen uns und den Vollsterblichen vorherzusehen. Unsere Rasse war mächtig gewesen und hatte über Zauberkräfte verfügt, und so erschufen sie das Sgath – den Schleie r –, denn die Sithe und die Vollsterblichen waren einfach zu verschieden, als dass sie länger in derselben Welt hätten leben können. Wir verließen unsere Seite des Schleiers immer seltener, bis viele Vollsterbliche gar nicht mehr wussten, dass wir überhaupt existierten.
    Conal erzählte mir aber auch, dass manche Sithe dem Drang einfach nicht widerstehen konnten, auf die andere Seite des Schleiers zurückzukehren.
    Das verstand ich nicht. Wieso sollte jemand freiwillig ins Exil gehen? So etwas taten doch nur die Lammy r – der verkommene Zweig unseres Stammbaumes, den die Sithe irgendwann einfach abgesägt hatten. Von da an richteten die Lammyr nur noch unter den Vollsterblichen Unheil an und legten sich sogar den einen oder anderen vollsterblichen Schützling zu. Anfangs wanderten die Lammyr geradezu hartnäckig zwischen den beiden Welten hin und her. Doch dann stellte man Wachen an den Schleusen auf, um sie daran zu hindern, auf unsere Seite zu gelangen. Aber das nützte nicht viel.
    Dem Ruf der Sithe waren die Lammyr alles andere als zuträglich.
    Die Lammyr sind verkorkste Wesen. Es fehlt ihnen etwas: die Liebe zum Leben. Sie lieben nur den Tod und den Schmerz.

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