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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Wer weiß, was sich die Götter dabei gedacht haben, als sie sie erschufen. Aber vielleicht haben sie sich ja auch gar nichts dabei gedacht. Vielleicht sind die Lammyr einfach passiert, als die Götter kurz nicht aufgepasst haben.
    Ich hatte noch nie einen Lammyr gesehen und war auch nicht sonderlich erpicht darauf. Auch Conal hatte noch keinen gesehen, denn Griogair und die anderen Anführer der Festung hatten die Lammyr lange vor seiner Geburt verjagt. Aber wir kannten die schaurigen Geschichten über sie und waren froh, dass die Lammyr weg waren. In die Festung waren sie nie zurückgekehrt. Ich glaube nicht, dass sie Griogairs Schwert fürchteten oder das eines anderen. Griogair hatte ihnen lediglich den Spaß verdorben und augenscheinlich hatten sie in der gesetzlosen, elenden Anderwelt einen verheißungsvolleren Spielplatz gefunden.
    Oh ja, das Elend. Seit meiner ersten Verbannung habe ich viel gesehen, überall auf der Welt. Ich habe seither schlimmeren Hunger, schlimmere Erniedrigungen gesehen, doch nie hat mich etwas so bis ins Mark erschüttert wie jene erste Erfahrung in der Anderwelt. Wir Sithe arbeiteten hart und kämpften verbissen, aber wir lebten und liebten und spielten mit derselben Hingabe. Die Vollsterblichen hingegen wurden mit nichts als ihrer Würde geboren und sie starben mit weniger. Es gab einige, die mein Mitleid erregten und die ich deswegen gern von dieser Welt erlöst hätte, aber Conal ließ mich nicht. Das sei verboten, sagte er. Hier herrschten andere Gesetze, andere Traditionen. Bei den Vollsterblichen gehörte das Leben nicht jedem Einzelnen, sondern ihrem Gott und ihren Priestern.
    Der Winter war gnädiger als die Priester: Er tötete viele der Alten und Kranken, machte aber auch vor den Jüngsten nicht halt. Die dunklen Monate waren hart, sehr hart. Ich musste Kälte ertragen, wie ich sie noch nie erlebt hatte, eine gnadenlose Kälte; und zum ersten Mal in meinem Leben erfuhr ich, was Hunger wirklich bedeutete.
    Aber das Exil hatte durchaus auch seine guten Seiten. Selbst das Anderwelt-Leben unter freiem Himmel war besser als Kates dunkle Hallen, und der Frühling, der auf unseren ersten Winter folgte, war so bezaubernd, als wollte er uns für die monatelangen Entbehrungen entschädigen. Er brachte neuen Schnee mit sich, einen Schnee aus Süßkirschen- und Weißdornblüten, und auf allen Hängen und Hügeln leuchtete gelb der Stechginster.
    Als der Frühling kam, bemerkte ich auch, dass einige der Mädchen hier sehr hübsch waren. Sie besaßen zwar nicht die wilde Schönheit der Sithe-Mädchen, dafür aber einen unverblümten Charme und eine handfeste Herangehensweise ans Leben, die ich durchaus anziehend fand. Und so war ich zutiefst beleidigt, dass keines von ihnen auch nur im Entferntesten Notiz von mir nahm.
    Nachdem sich meine Wut auf Kate und ihr Verhalten gegenüber Conal gelegt hatt e – ich haderte damit sehr viel mehr als er selbs t –, versuchte ich zur Ruhe zu kommen und die Anderwelt zu genießen. Aber ohne weibliche Gesellschaft fiel mir das schwer. Leider schienen die Frauen ihrerseits weder auf meine Gesellschaft noch auf meine Freundschaft Wert zu legen.
    Woran es lag, konnte ich mir einfach nicht erklären. Ich war doch kein hässlicher Troll, ich sah aus wie Conal. Bei den Sithe hatte Conal als schöner Mann gegolte n – aber die vollsterblichen Mädchen beachteten ihn genauso wenig wie mich. Ein-, zweimal sah ich, wie eines der Mädchen aus dem stinkenden Dorf ihm einen verstohlenen Blick zuwarf oder sich ihm mit einem schüchternen Lächeln näherte. Aber sobald eine ihrer Freundinnen oder ihre Mutter nach ihr rief, verlor sie sofort das Interesse. Man konnte regelrecht dabei zuschauen, wie Conal aus ihrem Bewusstsein verschwand.
    Ihn selbst schien das keineswegs zu bekümmern. Im Gegenteil, es belustigte ihn. Genau wie die Sache mit der Arbeit: Conal war nicht gerade der geschickteste Schmied, aber er konnte zumindest einfache Waffen und Werkzeuge herstellen und war erfinderisch, wenn es darum ging, Dinge zu reparieren. Der geborene Heiler war er auch nicht, aber er kannte sich wie die meisten Sithe gut mit Kräutern und Wurzeln aus und wusste, wie man einen Knochen einrenkte. Und so kam es, dass auch die Vollsterblichen seine Dienste gelegentlich gern in Anspruch nahmen.
    Aber keiner von ihnen kam je auf die Idee, mit Conal Freundschaft zu schließen. Wenn wir zum Beispiel des Abends auf einen Bauern trafen, der wenige Stunden zuvor ein Loblied auf Conal

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