Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
meinem Kopf.
„Nein“, sagte auch Kate und hob eine Hand. „Nein, Eili, das wäre keine Strafe für dich. Dazu bist du zu stark, zu tapfer, zu starrsinnig. Ich fürchte, Lilith hat Recht. Fox hat den Tod nicht verdient, du aber deine Strafe.“ Sie holte ein langes, mit Edelsteinen verziertes Messer aus ihrem Gürtel. „Es gibt nur einen Weg.“
Und bevor wir auch nur Luft holen konnten, wirbelte sie zu Fox herum und fuhr ihm einmal, zweimal mit der Klinge über das Gesicht. Vor, zurück. Links, rechts. Ich sah Blut spritzen, sah, wie Fox die Augen aufriss, aber er gab keinen Laut von sich. Er blieb vollkommen stumm, als Kate ihm mit dem Messer das Gesicht aufschlitzte, vier klaffende Münder in sein Fleisch schnitt, zwei auf jeder Wange. Er sagte kein Wort, ebenso wenig wie Eili oder ich, als Kate ihm für Lilith das schöne Gesicht zerstörte.
Dann trat Kate an Eili heran, die nichts anderes tun konnte, als auf ihren entstellten Bruder zu starren, auf den Blutstrom, der ihm übers Gesicht rann und von seinem Kinn auf den Steinboden floss. Kate nahm Eilis Hände und wischte die blutige Klinge an ihnen ab, ohne Eili auch nur den kleinsten Kratzer zuzufügen. Dann säuberte sie die letzten Reste an Eilis weißem Hemd, steckte die Klinge weg, drehte sich um und stolzierte wieder zu ihrem Platz am anderen Ende des Saales, die triumphierend grienende Lilith im Schlepptau.
10. Kapitel
E s war meine Schuld.“ Eili war untröstlich.
Wir versammelten uns in einem Vorzimmer, das vom großen Saal abgin g – Fox, Eili, ich und unsere erbosten Männer. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, Fox etwas Ruhe zu gönnen, aber wir hätten es nicht ertragen, ihn allein zu lassen. Der Heiler, den einer der Hauptmänner seines Vaters hinzugezogen hatte, gab sich alle Mühe, die Wunden zu schließen, aber sie waren tief und hässlich, überall war Blut und die Spitze der Klinge war bis in Fox’ Mundhöhle eingedrungen. Er würde große Narben zurückbehalten, daran bestand kein Zweifel. Kate hatte für meine Mutter ganze Arbeit geleistet.
„Nein.“ Fox’ Stimme klang gedämpft und verzerrt, aber es lagen nur Milde und Mitgefühl dari n – und großer Schmerz. „Es war nicht deine Schuld.“
„Du hast ihm das nicht angetan“, sagte einer unserer Kämpfer zornig.
„Schsch“, zischte der Heiler und wischte Fox den Schweiß von der Stirn. Dann presste er ein neues Leinentuch auf Fox’ Wange und bedeutete einem der Männer, es daraufgedrückt zu halten. Fast einen ganzen Tag und die halbe Nacht war der Heiler nun schon zugange, aber er hatte es mit dem Schließen der Wunden noch nicht weit gebracht. Zwischendurch war Fox immer wieder ohnmächtig geworden. Er hatte viel Blut verloren, bevor es dem Heiler gelungen war, den Blutfluss zu stoppen. Aber Fox hatte kein einziges Mal aufgeschrien oder geflucht. Das hatte er Eili und mir überlassen. Fox besann sich ganz und gar auf sein stilles Wesen. Es schien, als klammerte er sich an jenen Teil von sich, den Kate nicht hatte verändern können.
„Diese Hexe. Hexe!“ Eili konnte ihre Wut, ihre Trauer und ihre Reue kaum verbergen.
„Das reicht jetzt“, zischte ich mit Blick auf den fremden Heiler. Ich hatte Angst um sie.
„Nein! Seth, ich schwör e …“
„Ruhe!“ Nialls Hauptmann hob ruckartig den Kopf. „Hört mal.“
„Was denn?“, fragte Eili unter Tränen gereizt.
Eine unheimliche Stille erfüllte die Höhlen. Das Gemurmel draußen auf dem Vorplatz war verstummt. Stiefelschritte waren zu hören, Speere wurden über den Steinboden geschleift, Schwerter ächzten in ihren Scheiden. Ein ungeduldiges Pferd scharrte mit dem Huf und wieherte schrill. Ich meinte sogar das Seufzen des Windes in den Bäumen zu hören, weit, weit draußen vor dem Höhleneingang.
Seinen Geist hörten wir als Allererstes, seinen kalten, erzürnten Geist. Wenn man spürte, wie er sich stahlhart in den eigenen Kopf bohrte, konnte man nicht anders, als selbst die Zähne zu fletschen. Und dann hörte ich auch mit den Ohren etwas, wir alle hörten es: die Hufschläge eines Teufelspferdes.
„Er ist gekommen“, sagte ich. „Er ist hier.“
Stunden, nachdem ich ihn gerufen hatte, ritt mein Bruder in die Höhle und kam auf dem Vorplatz schlitternd zum Stehen. Conal sah mich nicht an, als er hereinkam, er sah niemanden an außer Fox. Sanft nahm er Fox’ Gesicht in beide Hände, strich ihm übers Haar. Dann wandte er sich ab, stieß die Flügeltüren zum Festsaal auf und stürmte an
Weitere Kostenlose Bücher