Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Wölfen. „Schnell. Und bleibt da drin.“
Liath gab ein verwirrtes Knurren von sich.
Bleib hier! , befahl ich scharf. Du musst!
Dieses Mal gehorchte sie. Jetzt, da ich meinen geistigen Schutz ohnehin gelockert hatte, nutzte ich die Gelegenheit, meinen Bruder zu rufen.
Conal!
Keine Antwort. Ich spürte nur seine unbarmherzige Blockade.
Cù Chaorach!
Nichts. Ich schüttelte mich und im nächsten Moment war ich auch schon losgerannt, rannte und rannte, schlug mir die Knie an der steilen Böschung auf, blieb aber kein einziges Mal stehen. Als unsere Hütte in Sicht kam, konnte ich gerade noch rechtzeitig abbremsen. Schlitternd kam ich hinter einem großen grauen Felsen zum Stehen. Mein Herz schlug mir wie wild in der Brust, als wollte es meine Lunge zerquetschen und herausspringen.
Sie hatten Conal erwischt. Er war von sechs grobschlächtigen Männern umzingelt und der Priester schaute genüsslich zu. Keine Ahnung, ob mein Bruder sich kampflos ergeben hatte. Jetzt lag er jedenfalls auf dem Rücken, die Hände in Eisen, das Gesicht blutig, und die Meute schleifte ihn zu einem Holzkarren. Er war bei Bewusstsein, aber sein Schutzwall war immer noch undurchdringlich.
Conal! , schrie ich in Gedanken.
Er verzog das Gesicht, als sein Kopf gegen einen Stein schlug, und versuchte auf die Füße zu kommen, aber es war unmöglich. Sie zerrten ihn zu sechst wieder zu Boden. Sie haben Angst vor ihm, dachte ich. Am Karren angelangt, traten sie ihn, damit er sich auf den Bauch rollte. Einer stellte seinen Fuß auf Conals Kopf und drückte ihn in den Schlamm. Diese verdammten Feiglinge! Während er nach Luft rang und um sich schlug, schlangen sie eine Kette durch seine eisernen Handfesseln, befestigten sie am Karren und sprangen schnell zurück. Einer gab dem eingespannten Pony einen Klaps auf den Rücken. Das Pferd bäumte sich auf und riss den Karren mit sich. Conal rappelte sich schnell auf, um nicht über den Boden geschleift zu werden.
Sie zwangen ihn, hinter dem Karren herzulaufen! Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich würde nicht kampflos zusehen, wie sie mir meinen Bruder wegnahmen.
Ich rannte schneller, als ich je zuvor gerannt war, und ich war ein sehr guter Läufer. Ich hielt dabei den Kopf gesenkt und biss mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte, um bloß keinen Laut von mir zu geben. Aber es kümmerte mich nicht. In mir brodelte ein Vulkan und ich musste Conal erreichen, ehe dieser Vulkan ausbrach. Ich würde es schaffen, alles andere war undenkbar. Entweder starben Conal und ich heute oder diese Grobiane. Ich war schon ganz nah bei ihm. Ich musste mich nur noch durchs Unterholz pirschen und den letzten steilen Anstieg überwinde n …
Sie hatten mich noch nicht bemerkt. Dachte ich. Bis ein stechender Schmerz durch meinen Kopf schoss und mein Hirn von Schläfe zu Schläfe wie ein Blitz durchzuckte. Es tat so unbeschreiblich weh, dass ich nicht einmal schreien konnte.
Ich dachte, sie hätten mich getötet. Der Priester hätte mich getötet. Wie hätte es auch anders sein sollen? Die Welt um mich herum verschwamm und das Licht erlosch allmählich, bis ich von einer kalten Dunkelheit und einer ohrenbetäubenden Stille verschlungen wurde und nichts mehr spürte.
17. Kapitel
I ch hatte mit dem Tod gerechnet. Als er nicht eintrat, als Leben und Bewusstsein und die grausame Realität wiederkehrten, war ich mir sofort sicher, in einem Verlies gelandet zu sein. Schlagartig erinnerte ich mich an alles, was passiert war. Ich lag mit geschlossenen Augen da, rührte mich nicht trotz der Schmerzen, die meine Augenlider durchbohrten. Ich wollte die Augen nicht öffnen und in die Dunkelheit starren. Ich wagte fast nicht zu atmen, aus Angst, ich würde Tod und Fäulnis und Verderben riechen.
Unter meiner zerschundenen Wange spürte ich klamme Kälte. Damit hatte ich gerechnet, nicht aber mit frischer Luft, dem würzigen Geruch von Erde und trockenem Laub. Statt bedrohlicher Stille vernahm ich Vogelgezwitscher und das Flüstern einer leichten Brise. Ich spürte den Hauch auf meiner Hand und ballte sie zur Faust, um dem Taubheitsgefühl entgegenzuwirken.
Dabei bekamen meine Finger nasses Laub und dorniges Gestrüpp zu fassen. Erschrocken ließ ich los und öffnete die Augen. Tageslicht sickerte durch die wogenden Äste über mir auf mich herab. Ich blinzelte und verspürte einen brennenden Schmerz. Dann zwang ich mich, die Augen wieder aufzumachen.
Ich lag genau dort, wo ich hingefallen
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