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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Stiefel, wie ich sie getragen hatte, aber die meisten Leut e – einschließlich aller Fraue n – trugen überhaupt keine Fußbekleidung. Ich schulterte das geschnürte Bündel, ließ den Steinpfad hinter mir und schlug mich in die Heide.
    Ich kämpfte mich über den Hügel in das angrenzende Tal mit seinen Siedlungen und Gehöften. Hier kannte mich niemand, ich konnte mich also völlig frei unter den Vollsterblichen bewegen, mich als harmloser Dorftrottel ausgeben und um Essen und Ale betteln, was mir die Dorfbewohner auch bereitwillig gaben. Ich konnte nur darüber staunen, wie sie diese Barmherzigkeit und Gastfreundschaft mit ihrer sonstigen Kaltschnäuzigkeit in Einklang brachten. Aber vielleicht waren sie in der Hinsicht auch gar nicht so anders als wir.
    Einen halben Tag lief ich kreuz und quer durch die Gegend, einen weiteren Tag verbrachte ich mit Beobachten und Belauschen. Man bekommt ganz schnell so einiges mit, wenn die Leute einen für dumm halten. Sie waren von Natur aus tratschsüchtig und die Hexenprozesse brachten willkommene Abwechslung in ihr ödes Leben.
    Conal war nicht in diesem Tal. Er wurde weiter im Landesinneren in einer abgeschiedenen Burg gefangen gehalten. Vor vier Tagen hatte man ihn dorthin gebracht, gemeinsam mit den Hexen, die in diesem und den benachbarten Dörfern eingesammelt worden waren. Die Dorfbewohner sprachen über nichts anderes als über die Hexenflüche, die angeblich auf ihrem Vieh lagen, auf ihrer Saat, auf ihren Genitalien. Wenn mir nicht zum Heulen gewesen wäre, hätte ich darüber gelacht. Wie schnell ein Mensch eine Entschuldigung für alles findet! Ihre wüsten Spinnereien widerten mich schon nach Kurzem an, ich hatte genug gehört. Ich ging zurück durch die Heide und bahnte mir meinen eigenen Weg ins Landesinnere, ohne dabei Spuren zu hinterlassen.
    Bevor der Vater des MacLeod seine neue große Festung errichtet hatte, hatten seine Vorfahren in der kleineren Burg gehaust, die nun vor mir lag. Sie war stark verfallen, denn sie bestand lediglich aus einem wenig imposanten, viereckigen Turm, der kaum zur Abwehr taugte und der viel zu weit vom Meer entfernt war, als dass er den MacLeods hätte nützlich sein können. Es hieß, die große Halle und der Innenhof würden inzwischen von kleinen braunen Schafen und Milchkühen bevölkert, in den Dachsparren nisteten Krähen. Die Mauern, das Dach und die Innenräume des Turmes seien aber noch intakt. Genau wie das Verlies.
    Einfach dort hineinzuspazieren, wehr- und waffenlos, wäre glatter Selbstmord gewesen, egal, wie entschlossen und aufgebracht ich auch war. Ich schlich mich durch den nahe gelegenen Wald und fand schließlich eine hochgewachsene Kiefer, die in sicherer Entfernung zur Festung stand, von der aus ich aber einen guten Blick in den Innenhof hatte. Ich machte es mir gemütlich und verbrachte einen weiteren Tag mit Beobachten.
    Offenbar hatte man die Tiere aus dem Innenhof getrieben. Ich beobachtete die Wachen und merkte mir die Zeit, die sie zum Wechseln ihrer Positionen benötigten. In der Mitte des Hofes wurde ein großes Reisigbündel aufgetürm t – Reisig, nicht gutes Bauholz! Und am Nachmittag wurde es dann entfacht.
    Ich kann nicht beschreiben, wie es war, als ich zum ersten Mal einen Menschen brennen sah. Die meiste Zeit war ich wie betäubt, es wirkte fast, als würde dort unten ein bizarres Theaterstück aufgeführt werden. Die Schaulustigen waren im Laufe des Vormittags aufgeregt und laut schwatzend herbeigeströmt, und am Nachmittag bevölkerte eine freudig erregte Menge den Hof. Es war Theater! Und die Schauspieler, zwei an der Zahl, spielten ihre Rollen. Unfreiwillig. Sie flehten, sie schrien, sie brannten. Aber sie blieben ihren Rollen treu, bis sie tot waren. Die Zuschauer verzehrten unterdessen ihren Proviant und spielten mit ihren Kindern und machten sich in der Dämmerung schließlich auf den Heimweg.
    Auch der Priester beherrschte seine Rolle perfekt. Lächelnd, die Bibel an die Brust gepresst, nickte er den Wachen zu, stieg auf sein fettes Pony und machte sich auf den steinigen Weg zurück ins fünf Meilen entfernte Dorf.
    Ich folgte ihm auf parallelen Wegen ein kurzes Stück durchs Unterholz. Es war dumm und riskant. Die Wolkendecke über mir riss auf und leuchtete schwach in der untergehenden Sonne. Das fahle, schwindende Licht sickerte durch die brüchige Wolkendecke und fiel auf das Pony, gerade als es hinter einem Vogelbeerbusch hervortrabte. Der Priester, der bis eben noch vor sich

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