Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
sich schon geholt!“, rief jemand. „Isobels Baby!“
„Ja, meine arme Schwester, das war ihr armer, kleiner Wurm!“, hörte man Morag MacLeod schluchzen. „Reverend Douglas hat die Kleine gefunden. Er wollte sie begraben, aber das ging ja nicht in geweihter Erde. Möge der Herr sich ihrer erbarmen.“
„Gefunden?“, keifte der Müller. „Wahrscheinlich hat er mit den Hexenmeistern gemeinsame Sache gemacht!“
Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Sie hatten den alten Priester alle geliebt. Aber jetzt lag der schiere Wahnsinn in der Luft.
Ein anderer Mann ergriff das Wort. „Ich hab gehört, sie hätte nicht für dieses Kind sorgen können. Noch ein Balg war so ziemlich das Letzte, was sie brauchen konnte. Sie hat’s nur beim Schmied abgeladen, um ihr Gewissen zu erleichtern.“
„Das ist eine infame Lüge!“, schrie Morag MacLeod.
„Es war kalt in der Nacht damals und das Kind war krank. Daraus kannst du dem Schmied keinen Vorwurf machen!“
„Aber wir können ihm vorwerfen, dass er das arme Kind umgebracht hat!“, schrie der Müller. „Als Opfergabe für seinen Meister!“
Der Priester streckte die Hände aus und brachte die Menge zum Schweigen. „Wenn euer alter Seelsorger mit dem Feind im Bunde war, dann muss er jetzt vor Gott Rechenschaft ablegen. Lasst uns nicht länger vom Tod sprechen.“ Er hielt inne, während er die fahle Stirn in Falten legte. „Obgleich es durchaus der Wahrheit entspricht, dass er keines natürlichen Todes gestorben ist.“
„Hexerei“, zischte jemand.
Klar, früher oder später musste dieses Wort ja fallen.
Der Priester schüttelte mit trauriger Miene den Kopf. „Wenn in dieser Anschuldigung auch nur ein Körnchen Wahrheit steckt, müssen wir Reverend Douglas exhumieren und auf dem Scheiterhaufen verbrennen. So steht es geschrieben.“
„Er sollte gar nicht in geweihter Erde liegen!“, rief jemand anders. „Sein Herr und Meister, der Teufel, hat ihn erschlagen. Habt ihr seine aufgerissenen Augen gesehen?“
„Ganz richtig, die ließen sich noch nicht mal schließen. Etwas hat ihn zu Tode erschreckt und er hat direkt in die Hölle gesehen!“
Die Menge verstummte. „Genau so war’s!“, hörte man schließlich jemanden murmeln.
„Er konnte seine Augen vor einem Diener des Teufels nicht verschließen.“
Mir wurde übel bei der Erinnerung daran, wie einsam und verlassen Conal neben dem toten Priester gestanden hatte und wie verzweifelt er versucht hatte, ihm die starrenden Augen zu schließen. Aber ich durfte keinen Laut von mir geben. Ich zog mich in den Schatten zurück und in diesem Moment sah der Priester au f – und schaute mir in die Augen.
Er lächelte. Ich dachte, er würde mich verraten, aber er tat es nicht.
Ich war drauf und dran zu protestieren, aber zum Glück kam mir jemand zuvor. MacKinnon, der Pächter, der Fremdling, der Einzelgänger. „Der Schmied ist ein anständiger Mann“, rief er. „Und ihr alle wisst das.“
„Tatsächlich?“, fragte der Priester ernst. „Was wisst ihr denn von diesem MacGregor?“
„Gar nichts!“, rief der Müller mit einem bösen Blick auf MacKinnon.
„Er ist ein guter Mann“, wiederholte der. „Der Schmied hat eure Kinder geheilt, auch deines, William Beag!“
Der Priester schloss die Augen, als wollte er seiner Verzweiflung Ausdruck verleihen. „A h …“, stöhnte er.
„Geheilt?“, schrie eine Frauenstimme dazwischen. „Oder verhext?“
Der Priester wandte sich William Beag zu, der rechts hinter ihm stand. In dessen Gesicht, das zur Hälfte von einem blutdurchtränkten Verband verhüllt war, spiegelten sich verletzter Stolz und unbändiger Hass. Auch seine Hand war bandagiert.
Ich hatte ihn offensichtlich nicht hart genug getroffen.
Der Priester zeigte mit seiner spinnenfingrigen Hand auf ihn. „Seht her, dies ist ein anständiger und allseits geachteter Mann“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Was ist dir zugestoßen, William?“
„Wir wollten die Hexe zur Rede stellen, die Roderick Mor mit einem Zauber belegt hat“, begann der Angesprochene säuerlich. „Die braut nämlich nicht nur Ale! Ich hielt Wach e …“
„Du hast sie beobachtet, während deine Meute sich zusammengerottet hat, du fetter Feigling!“, rief MacKinnon.
William Beag funkelte ihn an. „Halt du dich da raus, Malcolm MacKinnon. Du bist nicht von hier. Und du verstehst rein gar nichts von Hexerei.“
„Das stimmt. Aber ich weiß, dass eine Hexe vor Gericht
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