Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
übermenschlich stark sein, sagt man“, pflichtete der eine dem anderen bei und deutete mit dem Kopf auf die Burgmauer. „Also, der d a … der ist ein Hexenmeister, auf jeden Fall. Wie soll man sich das sonst erklären? Der kleine Folterknecht aus der Stadt ist schon seit vier Tagen hier, samt seinem ganze n … Zeug.“ Jetzt bekreuzigte er sich auch.
Der andere Wachmann nickte und trank noch einen Schluck aus dem Fläschchen. „Sie haben alles versucht. Hätte nie gedacht, dass einer mal so lange durchhält. Wie soll er das zustande gebracht haben, ohne übernatürliche Hilfe? Weißt du, womit sie ihn am Ende gebrochen haben?“
Mein Herz hörte vor Entsetzen fast auf zu schlagen und mir wurde schwindlig. Gebrochen? Meinen Bruder konnte man nicht brechen. Ich kämpfte mit den Tränen, am liebsten hätte ich weggehört.
„Der Stiefel“, sagte der Mann. „Spanischer Stiefel, so nennen die das Teil. Zertrümmert einem die Füße, hab ich gehört. Er hat ihn nur einmal kurz angeschaut, hat ’n Kopf geschüttelt und gesagt, nein danke, ich lass mich doch nicht zu meiner eigenen Verbrennung tragen, ich geh lieber zu Fuß!“
„Wirklich?“ Der andere lachte heiser.
„Ja, wirklich. Hat ’n schönes Geständnis abgelegt und gelacht hat er dabei, der schwarze Teufel. Ich glaub, der Gottesmann war ein bisschen sauer, dass er eingeknickt ist, also, der Mann aus der Stadt war’s jedenfalls. Je länger die Gefangenen durchhalten, desto mehr verdient er an ihnen.“
„Na ja, für die Verbrennung gibt’s doch auch ’ne Menge Geld. Der kriegt schon noch genug die nächsten Tage.“
„Der Sturkopf, der kommt als Letzter dran, hab ich gehört. Der muss sich noch drei Tage gedulden, da hat er genug Zeit, seine Überheblichkeit zu bereuen. Die anderen haben eh nicht so lang durchgehalten. Hast du gehört, wie die Hexe aus Balchattan gequiekt hat?“
„Geschieht ihr recht. Die hat dasselbe auf dem Kerbholz wie die alte Vettel Sinclair. Hat einem Kerl die Hochzeitsnacht versaut. Das Bier hat sie ihm verhext, ausgerechnet das Bier! Und dann erzählt sie überall rum, er hätte wohl zu tief ins Fass geschaut, und seine Braut wär’ ja eh so hässlich, dass bei ihr sogar Eisen weich werden würde und erst recht das beste Stück eines Mannes.“ Er lachte. „’ne Zunge, spitz wie ein Messer, die Alte, jedenfalls bevor sie verhört wurde. Danach hat sie nicht mehr gelacht. Sondern gestanden, wie alle anderen.“
Mir wurde ganz anders bei der Erinnerung an Ma Sinclai r – vor Entsetzen und vor Erleichterung zugleich.
„Die Hure des Teufels hat ganz schön gejault, als sie heute Nachmittag das Feuer unter ihr angemacht haben. Aber das nächste Feuer, das ihr blüht, das ist noch ’ne ganze Ecke heißer, und das brennt ewig, sagt der Gottesmann.“ Der Mann erschauerte wohlig. „Wird der Hexenmeister nicht erst gehängt?“
„Gehängt wird keiner von denen. Der Priester sagt, ei n … äh m … Exempel mus s … statuiert werden. Außerdem kommen doch die ganzen Leute von weit her, die wollen unterhalten werden.“
„Und was lernen sollen sie auch. Wer so was sieht, der überlegt sich’s zweimal, ob er sich das Teufelsmal aufschwatzen lässt!“
„Ach“, rief der andere plötzlich glucksend, weil ihm offensichtlich etwas eingefallen war, „hast du schon gehört? Auf diesem hübschen Mädel aus Balchattan haben sie auch so ein Mal gefunden!“
„Auf der jüngeren?“
„Genau. Und du kommst nie drauf, wo sie’s gefunden haben!“
Beide brachen in schallendes, trunkenes Gelächter aus.
Ich stand nur ein paar Meter entfernt und wusste, dass ich im Handumdrehen einen der beiden um seinen Dolch erleichtern könnte, ohne dass er es bemerkte. Oder zumindest erst dann, wenn er entsetzt auf die Blutfontäne starrte, die aus seiner aufgeschlitzten Kehle schoss.
Aber ich zwang mich, an Conal zu denken. Ich durfte so etwas nicht tun, sosehr ich mich auch daran geweidet hätte.
Später vielleicht, dachte ich. Später.
18. Kapitel
I m Inneren der Burg wäre ich nicht bis zu Conal vorgedrungen, das weiß ich jetzt. Selbst der Schleier kann gegen aufmerksame und gut aufgestellte Wachposten, die ihr Handwerk beherrschen, kaum etwas ausrichten. Genau das gefiel mir an den beiden Tölpeln hier draußen so gu t – ihre Unachtsamkeit, ihre Gleichgültigkeit und nicht zuletzt ihre Schwäche für billigen Fusel. Mir war so einiges aufgefallen, als ich die Burg still und leise aus der Ferne beobachtet hatte. Zum
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