Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
dringen, und dann wirst du mich sehen können, wenngleich nur schemenhaft, und du wirst wissen, dass das nicht stimmt.“
„Ich glaube dir kein Wort. Woher kommst du? Ich wusste nicht mal, dass du hier drin bist. Ich glaube dir kein Wort!“ Sie klang völlig verzweifelt und ich fürchtete, sie könnte jeden Augenblick loskreischen. Da wurde ich böse und dachte nur: Halt bloß die Klappe! Fang jetzt nicht an zu heulen, sonst werden die Wachen auf euch aufmerksam. Wag es ja nicht, du dumme Gans!
„Hör mir zu“, sagte Conal. „Ganz ruhig.“
Es wurde wieder still und der Atem des Mädchens ging allmählich ruhiger.
„Vertraust du mir?“, fragte er.
„Warum sollte ich?“ Ihre Stimme hatte einen schneidenden Klang angenommen. Aber zumindest war sie nicht mehr so hysterisch.
„Einfach so. Also, vertraust du mir?“
„Bist du ein Hexer?“
„Nein.“
Stille. Dann, mit leiser Stimme: „Bin ich eine Hexe?“
„Genauso wenig wie ich ein Hexer bin. Du hast dir nichts zuschulden kommen lassen. Meine Schuld besteht einzig und allein darin, dass ich die falschen Vorfahren habe, dass ich die falsche Person zur falschen Zeit bin. Ich bin anders als du, aber wir werden beide denselben Tod sterben. Du wirst deinem Schicksal nicht entkommen. Nicht einmal, wenn du mich denunzierst.“
Man hörte an seiner Stimme, dass er lächelte, und man konnte regelrecht hören, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg. Auf den Gedanken war sie also auch schon gekommen.
„Denk dir eine Geschichte aus“, sagte er in die Stille hinein. „Denk dir etwas aus, was du gestehen kannst. Ist auch ein guter Zeitvertreib.“
„Warum?“ Da war keine Spur von Gereiztheit mehr in ihrer Stimme. Sie klang nur noch verwirrt. „Warum sollte ich das tun? Ich hab doch nichts getan!“
„Du musst. Gib ihnen, was sie haben wollen. Erzähl ihnen, du hättest schwarze Messen abgehalten, wärst durch die Luft geflogen, hättest dem Teufel den Hintern geküsst. Denk dir irgend etwas aus. Irgendeinen hanebüchenen Unsinn. Ich helfe dir auch dabei. Es ist nur zu deinem Besten.“
„Ich kann solche Dinge nicht einmal aussprechen, geschweige denn tun!“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.
„Darauf kommt es jetzt nicht mehr an. Du musst es sagen. Bitte.“
„Aber warum?“ Sie schluchzte.
„Wenn du sie mit einer schönen Geschichte beglückst, dem Teufel abschwörst und Reue zeigst, dan n …“ Er hielt inne.
„Dann was?“ Ich hörte den Funken Hoffnung in ihrer Stimme. Die arme Kleine tat mir leid.
„Dann hängen sie dich vielleicht“, sagte er. „Bevor sie dich verbrennen.“
Jetzt begann sie wirklich zu weinen, aber leise und zutiefst verzweifelt.
„Glaub mir, es ist besser so.“
Er wusste es noch nicht. Er wusste noch nicht, dass seine Ermordung ohne jede Gnade vonstattengehen würde. Der Priester hatte es ihm offensichtlich verschwiegen. Eine ganze Zeit lang hörte man nichts außer dem Schluchzen des Mädchens, aber sie gewann ihre Fassung schneller zurück, als ich gedacht hätte.
„Du bist nicht angekettet, oder?“, fragte Conal nach einer Weile.
„Nein“, sagte sie schniefend.
„Ich rieche furchtbar“, sagte er, „und ich kann dich nicht retten. Aber du musst keine Angst haben, ich liege hier in Ketten und kann dir nichts tun.“
Sie krabbelte zu ihm hinüber, schnell und geräuschvoll, stolpernd und strauchelnd. Ich hörte seine Ketten klirren, als er, so gut es ging, die Arme um sie legte. Meine Liebe stach mir schmerzvoll in der Brust. Es tat so weh, dass ich den Atem anhielt. Kümmere dich um dich selbst , sagte ich in Gedanken, du sentimentaler Dummkopf, verschwende deine Zeit nicht mit ihr.
Er hörte mir immer noch nicht zu.
„Wenn du sie kommen hörst“, sagte er leise, „geh weg von mir. Sie haben dich hier reingesteckt in der Hoffnung, ich würde dir Angst machen. Wenn sie uns hier so finden, legen sie dich auch in Ketten.“
Ihre Stimme klang gedämpft an seiner Brust. „Du kannst sie also nicht davon abhalten, mich umzubringen?“
„Nein“, sagte er sanft. „Aber du kannst dir zumindest einen leichteren Tod bescheren. Und mit ein bisschen Glück treffen wir uns vielleicht wieder.“
Und mit sehr viel Glück wird das nicht passieren, dachte ich grimmig.
„Ich weiß nicht“, jammerte sie. „Ein Geständnis, ich weiß wirklich nich t …“
„Was haben sie dir bisher angetan?“
Sie presste die Worte offensichtlich aus ihrem tiefsten Inneren hervor. „Da war ein e …
Weitere Kostenlose Bücher