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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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sie militärisch präzise Aufstellung nehmen zu lassen.
    »Nichts anderes hatte ich vor«, antwortete Corinna lächelnd, während sie neben Andrej und vor ihrem grauhaarigen Leibwächter Aufstellung nahm. Rezzoris Augen schossen zornige Blitze in ihre Richtung, aber er enthielt sich jeglichen Kommentars und fuhr nur zornig auf dem Absatz herum und stürzte aus dem Schuppen.
    Andrej spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Es war zu ruhig. Das Arsenal war eine typische Fischer- und Handwerkergegend, die zu dieser Stunde vor Geschäftigkeit nur so summen sollte. Dass dem nicht so war, hatte er schon vom Wasser aus gesehen, es aber auf den besonderen Tag geschoben und vermutet, dass sich so ziemlich jedermann schon auf dem Weg zur Hauptinsel befand, zum Carnevale. Vielleicht auch, dass die meisten Werkstätten heute geschlossen waren, damit sich ihre Inhaber angemessen vorbereiten und sich ausgeschlafen in den Carnevale stürzen konnten, um sich nach Kräften zu betrinken.
    Rings um sie herum rührte sich nichts. Sämtliche Türen waren geschlossen, und vor etlichen Fenstern waren die Läden vorgelegt. Viel alarmierender aber war das, was ihm sein feines Gehör und seine anderen scharfen Sinne verrieten. Die Häuser ringsum waren tatsächlich verlassen, und das in einem Umkreis von mindestens hundert Schritten.
    »Was ist mit dir?«, fragte Corinna plötzlich. Andrej warf ihr einen fragenden Blick zu. »Du wirkst nervös.«
    Kannte sie ihn schon so gut? »Es ist zu still.«
    »Das ist normal«, sagte Corinna. »Sie sind wahrscheinlich schon alle unterwegs. Oder schlafen sich aus, um sich danach umso heftiger betrinken zu können.«
    Jetzt wurde Corinna ihm langsam unheimlich, sprach die junge Frau doch nahezu wörtlich das aus, was er gerade gedacht hatte. Andrej hob jedoch nur leicht die Schultern und sah sich noch einmal um. Es blieb dabei: Es war so still, als hätte etwas nicht nur alle Menschen, sondern jegliches Leben aus diesem Teil der Stadt vertrieben.
    Rezzori verfügte vielleicht nicht über seine Sinne, schien die unheimliche Veränderung aber auf eine andere Weise ebenso deutlich zu spüren. Er gab sich zwar redliche Mühe, sich seine wahren Gefühle nicht anmerken zu lassen, vermochte aber zumindest Andrej nicht über seine zunehmende Nervosität zu täuschen. Bis sie die Turmruine erreicht hatten, hatte auch der letzte seiner Männer seine Muskete von der Schulter genommen und sie schussbereit gemacht.
    Rezzori blieb vor dem wie immer verschlossenen Tor stehen und hob die Hand, um zu klopfen, ließ den Arm dann aber wieder sinken und bedeutete Andrej mit einer ruppigen Geste, es für ihn zu tun.
    Andrej gehorchte, wenn auch erst nach kurzem Zögern und mit demselben unguten Gefühl, das ihn auf dem ganzen Weg vom Bootshaus begleitet hatte. Anders als in den schmalen Straßen, durch die sie gekommen waren, spürte er Leben in Scalsis Narrenturm, aber irgendetwas daran stimmte nicht, irritierte ihn, ohne dass er hätte sagen können, was. Doch er schob den Gedanken beiseite. Selbstverständlich stimmte etwas mit diesem Leben nicht. Wäre es anders gewesen, dachte er, wäre es wohl kaum nötig gewesen wäre, es hinter diesen uralten Mauern einzusperren.
    Also klopfte er umso nachdrücklicher an die schmale Schlupftür, die daraufhin mit einem erbärmlichen Quietschen nach innen schwang – ungefähr eine Handspanne weit, dann kippte sie um und schlug mit gewaltigem Getöse auf dem Boden auf.
    Andrej war mit einem einzigen Satz durch die Tür und hatte die Waffe gezogen, noch bevor das Echo des Aufpralls ganz in dem winzigen Innenhof verklungen war. Schatten flohen lautlos in alle Richtungen, und irgendetwas Großes und ungemein Böses schien sich dicht unter der trügerischen Oberfläche der Realität zu regen.
    »Bleibt stehen, Delãny!«, befahl Rezzori hinter ihm. Andrej musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass sich die Musketen nun wieder auf ihn gerichtet hatten.
    Aber das war nicht der alleinige Grund, aus dem er nach nur einem einzigen weiteren Schritt stehen blieb und sich umsah. Vielleicht zum ersten Mal kam ihm Schwester Innozenz nicht entgegengeeilt, um ihn mit der einen oder anderen spitzen Bemerkung und vorwurfsvollen Blicken zu begrüßen. Doch da war noch etwas: Er spürte so etwas wie das Echo vergangenen Schreckens. Gewalt. Etwas war hier geschehen, vor noch nicht allzu langer Zeit und mit explosiver Wucht.
    Fast schon widerwillig wandte er sich zu Rezzori und den anderen um und

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