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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Orleans zurück. Lestat hatte seinen Sarg in einem armseligen Zimmer bei den Festungswällen.«
    »Und Sie legten sich in diesen Sarg?«
    »Mir blieb nichts anderes übrig. Ich bat Lestat, mich in der Kammer schlafen zu lassen, aber er lachte nur und fragte mich erstaunt: ›Weißt du nicht, was du bist?‹ ›Aber muß denn alles so naturgetreu sein?‹ fragte ich, und er lachte noch mehr. Ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, doch während wir noch darüber stritten, merkte ich, daß ich gar keine wirkliche Angst hatte. Es war seltsam - mein ganzes Leben hatte ich geschlossene, enge Räume gefürchtet. Ich war in französischen Häusern mit hohen Decken und bis zum Boden reichenden Fenstern geboren und aufgewachsen und haßte es, eingeschlossen zu sein. Auch im Beichtstuhl in der Kirche fühlte ich mich beengt - nun, es war eine verständliche Angst. Und jetzt, während ich gegen Lestat aufbegehrte, merkte ich, daß ich dieses Gefühl ganz verloren hatte. Es war nur noch die Erinnerung daran, die Gewohnheit, denn ich war mir noch nicht meiner gegenwärtigen unbeschwerten Freiheit bewußt. ›Du benimmst dich schlechte sagte Lestat schließlich. ›Und fast dämmert es schon. Ich sollte dich sterben lassen. Die Sonne wird das Blut aufzehren, das ich dir gegeben habe, in allen Adern, allen Geweben, und du wirst sterben, du weißt es. Aber du solltest diese Furcht nicht haben. Du bist wie einer, der ein Bein oder einen Arm verloren hat und behauptet, er fühle Schmerz, wo das Glied gewesen ist.‹ Nun, das war tatsächlich das Vernünftigste, was Lestat je in meiner Gegenwart gesagt hat, und es stimmte mich sofort um. ›Also, ich lege mich jetzt in den Sarg‹, sagte er schließlich geringschätzig, ›und du wirst dich auf mich legen, wenn du weißt, was dir guttut.‹ Und ich tat es. Ich lag mit dem Gesicht nach unten auf ihm, ganz verwirrt, daß ich so gar keine Angst hatte, nur von Widerwillen erfüllt, ihm so nahe zu sein, wie schön und verlockend er auch sein mochte. Und er schloß den Deckel. Dann fragte ich ihn, ob ich schon vollständig tot sei. Es juckte und kribbelte mich am ganzen Körper. ›Nein, noch nicht‹, sagte er. ›Wenn du es bist, hörst und siehst du die Veränderung, aber du fühlst nichts. Wenn es wieder Nacht wird, bist du tot. Schlafe jetzt.‹«
    »Und hatte er recht? Waren Sie… tot, als Sie aufwachten?«
    »Ja, verändert, sollte ich sagen. Da ich offensichtlich lebe. Mein Leib war gestorben. Er war noch nicht völlig von den Stoffen und Flüssigkeiten gereinigt, die er nicht mehr brauchte, aber er war schon tot. Und als es mir bewußt wurde, erreichte ich eine neue Stufe in meiner Loslösung von menschlichen Empfindungen. Das erste, was ich erkannte, während wir den Sarg in einen Leichenwagen luden und einen anderen aus einer Leichenhalle stahlen, war, daß ich Lestat durchaus nicht leiden konnte. Noch war ich weit davon entfernt, ihm gleich zu sein, doch war ich ihm nun unendlich näher als vor dem Tod meines Leibes. Ich kann es dir wirklich nicht erklären, aus dem einfachen Grund, weil du jetzt so bist, wie ich war, bevor mein Leib starb. Du wirst es nicht verstehen. Doch bevor ich starb, war Lestat zweifellos das überwältigendste Erlebnis gewesen, das ich je gehabt hatte. Deine Zigarette ist ganz zu Asche gebrannt..«
    »Oh!« Der Junge drückte sie aus. »Sie meinen, als die Kluft zwischen Ihnen geschlossen war, hat er seinen… Zauber verloren?« fragte er, die Augen auf den Vampir geheftet, während er eine neue Zigarette herausnahm und anzündete.
    »Ja, das ist richtig«, antwortete der Vampir mit offensichtlichem Vergnügen. »Die Fahrt zurück nach Pointe du Lac war aufregend. Doch Lestats unaufhörliches Geschwätz war entschieden das Langweiligste und Deprimierendste. Natürlich war ich, wie ich sagte, ihm noch lange nicht gleich; ich mußte mit meinen toten Gliedern fertig werden… um seinen Vergleich zu gebrauchen. Und ich lernte es noch am selben Abend, als ich zum ersten Mal töten mußte.«
    Der Vampir streckte den Arm über den Tisch aus und streifte etwas Asche vom Anzug des Jungen, und der Junge starrte erschreckt auf die Hand, als der Vampir sie wieder zurückzog. »Entschuldige«, sagte der Vampir, »ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Ich muß um Entschuldigung bitten«, antwortete der Junge. »Ich hatte nur soeben den Eindruck, daß Ihr Arm… ungewöhnlich lang ist. Sie haben über den Tisch gelangt, ohne sich vorzubeugen.«
    »Nein«, sagte

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