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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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der Geist, das Herz von allem.‹
    ›Nein, nein!‹ Ich hob protestierend die Hand. Fast hätte ich bitter aufgelacht. ›Siehst du denn nicht? Ich bin nicht der Geist irgendeines Zeitalters. Ich bin uneins mit allem, bin es immer gewesen. Niemals, zu keiner Zeit, habe ich irgendwohin oder zu irgend jemand gehört.‹ Es war schmerzlich, doch nur zu wahr.
    Sein Gesicht erhellte sich in einem unwiderstehlichen Lächeln, als er sanft sagte: ›Aber Louis - das ist ja gerade der Geist deines Zeitalters. Siehst du es nicht? Jedermann fühlt so wie du. Dein Sturz aus dem Glauben und aus der Gnade ist der Sturz eines ganzen Jahrhunderts.‹
    Ich war so verdutzt von diesen Worten, daß ich lange nichts sagen konnte und nur ins Feuer starrte. Es hatte das Holz fast aufgezehrt und bildete nun eine Ödnis von schwelender Asche, eine graue und rote Gebirgslandschaft, die zusammenfallen würde, sobald man mit dem Schüreisen daran rührte. Doch sie strahlte Wärme aus und ein geheimnisvolles Licht. Schließlich fragte ich leise: ›Und die Vampire im Theater…?‹
    ›Sie reflektieren den Zynismus des Jahrhunderts, ein sinnloses, überfeinertes Schwelgen in der Parodie des Wunderbaren, eine Dekadenz, eine manierierte Hilflosigkeit, deren letzte Zuflucht die Selbstverspottung ist. Du hast sie gesehen, hast sie dein ganzes Leben gekannt. Du spiegelst dein Zeitalter auf andere Weise wider; du spiegelst sein gebrochenes Herz.‹
    ›Es ist Unglückseligkeit‹, entgegnete ich. ›Ein Elend, das du noch nicht verstanden hast.‹
    »Mag sein‹, erwiderte er. ›Doch sage mir, was du jetzt empfindest, was dich unglücklich macht. Verrate mir, warum du eine Woche lang nicht zu mir gekommen bist, obwohl du darauf branntest. Verrate mir, was dich noch an Claudia bindet und an die andere Frau.‹
    Ich schüttelte den Kopf. ›Du weißt nicht, was du fragst‹, sagte ich. ›Siehst du, es war für mich ungeheuer schwierig. Madeleine in einen Vampir zu verwandeln. Ich habe damit ein Versprechen gebrochen, das ich mir selber gegeben hatte - daß ich nie so etwas tun würde, daß meine Einsamkeit mich niemals dazu treiben dürfe. Ich sehe unser Leben nicht als ein Geschenk, nicht als eine Macht, sondern als einen Fluch. Mir fehlt nur der Mut zu sterben. Aber einen anderen Vampir erschaffen! Dieses Leiden an einen anderen weitergeben und Hunderte von Männern und Frauen, die der Vampir zwangsläufig töten muß, dem Tode überantworten! Ich habe ein feierliches Versprechen gebrochen, und als ich es tat…‹
    Er fiel ein: ›Wenn es dir ein Trost ist - ich hatte die Hand im Spiel, wie du sicher gemerkt hast.‹
    ›Daß ich es tat‹, sagte ich, ›um von Claudia frei zu sein, um frei zu sein, zu dir zu kommen, …ja, das ist mir klar. Doch die letzte Verantwortung liegt bei mir.‹
    »Nein. Unmittelbar, meine ich. Ich gebot dir, es zu tun. Ich war ganz nahe bei dir in der Nacht, als du es tatest. Wußtest du das nicht?‹
    Ich schüttelte den Kopf.
    ›Ich hätte selber aus dieser Frau einen Vampir gemachte fuhr er fort, ›aber ich dachte, es ist am besten, ich überlasse es dir, sonst würdest du Claudia nicht aufgeben. Du solltest wissen, daß du es wolltest.‹
    ›Ich verabscheue, was ich getan habe‹, sagte ich.
    ›Dann verabscheue mich, nicht dick, entgegnete er.
    ›Nein‹, sagte ich. ›Du verstehst nicht. Du hast dasjenige, was du in mit schätztest, fast zerstört, als es geschah. Ich habe dir mit aller Kraft Widerstand geleistet, als ich noch gar nicht wußte, daß es deine Macht war, die mich leitete. Etwas ist beinahe in mir gestorben, die Leidenschaft so gut wie tot. Ich war beinahe vernichtet, als Madeleine erschaffen wurde.‹
    ›Sie ist nicht länger tot‹, sagte er. ›Die Leidenschaft, die Menschlichkeit - wie immer du es nennen magst -, sie lebt. Wäre es nicht so, dann stünden nicht deine Augen jetzt voller Tränen, dann bebte nicht deine Stimme vor Erregung.‹
    Ich konnte nicht sogleich antworten; ich nickte nur. Dann suchte ich nach Worten. ›Du darfst mich niemals mehr zwingen, etwas gegen meinen Willen zu tun‹, sagte ich. ›Du darfst keine solche Macht auf mich ausüben…‹
    ›Nein‹, erklärte er bereitwillig, ›ich darf nicht. Meine Macht hört irgendwo in deinem Inneren auf, an irgendeiner Schwelle. Dort bin ich machtlos. Wie auch immer - die Erschaffung Madeleines ist vollzogen. Du bist frei.‹
    ›Und du bist zufriedengestellte sagte ich, mit mehr Beherrschung. ›Ich wollte nicht grob sein.

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