Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
das Licht einer Kerze im flüssigen Wachs erstickt - mit halbgeschlossenen Augen ließ ich mich vom Halbdunkel umfangen.
    Und dann öffnete ich die Augen und dachte nicht mehr an Lampe und Kerze.
    Aber es war zu spät. Ich war aufgestanden, Claudias Hand auf meinem Arm, und sah eine Schar schwarz gekleideter Männer und Frauen sich durch unsere Zimmer bewegen, und ihre Gewänder schienen den Lichtschimmer von jedem Goldrahmen, jedem lackierten Tischchen aufzusaugen. Ich sah Santiago und Celeste auf uns zukommen, hinter ihnen Estelle und andere, deren Namen ich nicht wußte, drohende Gestalten, in den zahlreichen Spiegeln unendlich vervielfältigt. Ich rief Madeleine an, die mit einem Ruck erwachte und sich erschreckt an die Lehnen ihres Sessels klammerte, und rief Claudia an, sie solle davonlaufen, durch die Tür, die ich rasch aufgerissen hatte. Dann stürzte ich über die Schwelle und stieß mit den Füßen nach Santiago.
    Gemessen an den Kräften, die ich jetzt entfaltet, war ich damals, als Santiago mich im Quartier Latin überfallen hatte, ein Schwächling gewesen. Vielleicht war ich zu angekränkelt, um an meine eigene Verteidigung zu denken; doch der Instinkt, Claudia und Madeleine zu schützen, war übermächtig. Ich erinnere mich, daß ich Santiago Fußtritte versetzte und mich der schönen und grausamen Celeste erwehrte, die mich zu packen versuchte, strauchelte, mich schließlich zu fassen bekam und mir das Gesicht zerkratzte, so daß mir das Blut über den Kragen lief. Dann wurde ich von Santiago festgehalten, und ich spürte den grausamen Griff seiner Arme, seiner Hände, die mich zu erdrosseln drohten. Ich rief Madeleine an, sie solle mir zu Hilfe kommen, doch ich konnte sie nur schluchzen hören, und dann sah ich sie in dem Tumult, ein hilfloses, verschrecktes Ding, von den Vampiren umringt. Sie lachten das dünne Vampir-Gelächter, das wie das Rauschen von Flittergold klingt. Es gelang mir, mich von Santiago zu befreien, und ich schlug wild auf ihn ein, auf seine Brust, seinen Kopf, bis ein anderer meinen Arm packte und mich mit eiserner Gewalt von ihm wegzog.
    Meine Kräfte hatten nicht nachgelassen, doch ihrer waren zu viele. Es war hoffnungslos. Sie zogen mich aus dem Zimmer, schleppten mich über die Korridore, stießen mich die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße und schoben mich in einen Wagen. Neben mir hörte ich Madeleine schluchzen. Ohne Unterlaß schlugen sie auf mich ein, doch ich verlor nicht die Besinnung. Unter ihren Schlägen und während mir das Blut über das Gesicht lief und als ich schließlich auf dem Boden des Wagens lag, dachte ich nur: Ich lebe, ich bin bei Bewußtsein.
    Und sobald wir das Théâtre des Vampires erreicht hatten, rief ich laut nach Armand.
    Man ließ mich laufen, doch ich stolperte auf der Kellertreppe - hinter mir und vor mir die Horde, die mich mit drohenden Händen vorwärtsdrängte. Einmal bekam ich auch Celeste kurz zu fassen, sie schrie, und jemand schlug mich von hinten. Und dann sah ich Lestat. Der Schock war lähmender als alle körperlichen Mißhandlungen, die ich empfangen hatte. Lestat in der Mitte des Ballsaals, aufrecht stehend, die grauen Augen scharf und konzentriert, den Mund zu einem verschlagenen Lächeln verzogen, untadelig gekleidet wie eh und je, in tiefem Schwarz und blütenweißer Wäsche. Aber noch immer entstellten die Narben sein weißes Gesicht, zerschnitten die Wangen, die Oberlippe, die Stirn und die Augenlider. Und seine Augen brannten in schweigendem Zorn, der mit Eitelkeit vermischt schien, einer furchtbaren, unbarmherzigen Eitelkeit, die sagte: ›Sieh, was ich bin!‹
    ›Ist er das?‹ fragte Santiago und schob mich nach vorn.
    Doch Lestat rief in scharfem Ton: ›Ich habe euch gesagt, ich will Claudia, das Kind. Sie war es!‹ Und dann trat er auf mich zu, die Augen auf mich gerichtet. ›Lestat…‹, rief ich, mich an den letzten Strohhalm klammernd, der mir blieb.
    ›Lestat! Du lebst! Sag ihnen, wie du uns behandelt hast…‹
    Er schüttelte den Kopf. ›Nein! Du kommst zu mir zurück, Louis.‹
    Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Die Stimme der Vernunft in mir mahnte: Rede mit ihm, noch als ich mit verzweifeltem Lächeln sagte: ›Bist du verrückt?‹
    »Ich will dir dein Leben zurückgeben^ sagte er. Seine Lider zitterten bei der Anstrengung, die ihn diese Worte zu kosten schienen, seine Brust hob sich, und seine Hand öffnete und schloß sich hilflos. ›Du hast mir

Weitere Kostenlose Bücher