Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
bemerkten, würden sie nicht vor dem Morgen kommen.
    Jetzt entdeckte ich Regale mit Büchern und einen Schreibtisch mit Federn und Tintenfaß. Das Zimmer mußte recht gemütlich sein, wenn das Feuer die feuchtkalte Luft getrocknet hatte und es nicht gerade stürmte.
    ›Siehst du‹, fuhr Armand fort, ›du brauchst eigentlich gar nicht die Zimmer im Hotel. Du brauchst überhaupt sehr wenig. Aber jeder muß selber entscheiden, was und wieviel er benötigt. Die Leute in diesem Haus haben einen Namen für mich, und wenn sie mir einmal begegnen, so gibt ihnen das Gesprächsstoff für viele Jahre. Sie sind nur isolierte Augenblicke in meiner Zeit, die nichts bedeuten. Sie können mir nichts tun, und ich benutze ihr Haus, wenn ich allein sein will. Keiner aus dem Theater weiß davon. Es ist mein Geheimnis.‹
    Ich sah ihn aufmerksam an, während er sprach, und die Gedanken, die mir in Armands Klause im Theater durch den Kopf gegangen waren, kamen mir erneut in den Sinn. Vampire altern nicht, und ich fragt e mich, wie sein jugendliches Gesicht vor hundert Jahren und hundert Jahre davor ausgesehen haben, wie sein altersloses Gehabe gewesen sein mochte; denn sein Gesicht, wenn auch nicht durch Reife geprägt, war bestimmt keine Maske. Es kam mir ungeheuer eindrucksvoll vor, nicht weniger als seine unauffällige Stimme, und ich konnte nicht feststellen, woran es lag. Ich wußte nur, daß ich so mächtig von ihm angezogen wurde wie zuvor; und zum Teil war die Frage, die ich nun an ihn richtete, eine Ausflucht: ›Aber was hält dich im Théâtre des Vampires?‹
    ›Es war eine Notwendigkeit^ antwortete er. ›Doch ich habe gefunden, was ich suchte. Warum weichst du mir aus?‹
    ›Ich weiche dir nicht aus‹, sagte ich und bemühte mich, die Erregung zu verbergen, die seine Worte in mir hervorriefen. ›Bitte verstehe, daß ich Claudia beschützen muß, sie hat nur mich. Oder zumindest hatte sie niemand sonst bis…‹
    ›Bis Madeleine zu euch kam und bei euch blieb.‹
    ›Ja‹, gab ich zu.
    ›Aber jetzt hat Claudia dich freigegeben, und doch bleibst du bei ihr, an sie gebunden wie an eine Geliebte‹, sagte er.
    ›Nein. Sie ist nicht meine Geliebte, das verstehst du nicht‹, sagte ich. ›Sie ist eher mein Kind, und ich weiß nicht, ob sie mich freigeben kann…‹ Dies waren Gedanken, die ich mir schon so oft gemacht hatte. ›Ich weiß nicht, ob ein Kind seine Eltern freizugeben vermag.
    Vielleicht bin ich an sie gebunden, solange sie…‹
    Ich hielt inne. Ich hatte sagen wollen ›solange sie lebt‹. Doch das war natürlich nur eine leere Redensart aus dem Sprachgebrauch der Sterblichen. Sie würde ewig leben, so wie ich. Aber erscheint es sterblichen Vätern nicht ebenso? Ihre Töchter leben für sie immer, weil sie selbst vor ihnen sterben. Plötzlich war ich um Worte verlegen, doch die ganze Zeit war mir bewußt, wie Armand zuhörte - so wie wir uns den idealen Zuhörer wünschen, mit einem Gesicht, das alles, was gesagt wurde, widerspiegelte. Wenn ich stockte, dann benutzte er das nicht dazu, mir ins Wort zu fallen, ehe ich den Gedanken zu Ende geführt hatte, sondern ließ mich geduldig ausreden.
    Nach einer langen Pause sagte er: ›Ich brauche dich. Ich brauche dich mehr als sonst etwas in der Welt.‹
    Eine Sekunde lang traute ich meinen Ohren nicht. Es kam mir unglaublich vor. Und ich war völlig entwaffnet - die Vision unseres Zusammenlebens nahm von mir Besitz und löschte alle anderen Erwägungen aus.
    Und er wiederholte: ›Ich sagte, ich brauche dich. Mehr als sonst etwas in der Welt.‹ Sein Gesichtsausdruck hatte sich kaum verändert; er saß da und wartete, die großen Augen auf mich gerichtet, die Lippen unbewegt.
    ›Du hast es gewollt, sagte er, ›aber du bist nicht zu mir gekommen. Du willst vielerlei wissen, und du fragst nicht. Du siehst, wie Claudia dir entgleitet, doch du scheinst ohnmächtig, es zu verhindern; und dann willst du es beschleunigen, und wieder tust du nichts.‹
    ›Ich verstehe meine eigenen Gefühle nicht‹, antwortete ich. Vielleicht sind sie dir klarer als mir…‹
    ›Du weißt noch gar nicht, was für ein Rätsel du bist‹, sagte er.
    ›Du kennst wenigstens dich selber gründlich‹, wandte ich ein, ›ich kann es leider von mir nicht behaupten. Ich liebe sie, aber sie bleibt mir fern. Wenn ich mit ihr zusammen bin, so wie jetzt mit dir, weiß ich, daß ich nichts von ihr weiß, absolut nichts.‹
    Und er: ›Sie ist ein ganzes Zeitalter für dich, das Zeitalter

Weitere Kostenlose Bücher