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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sie nicht verbrennt, wird es die Sonne tun. Aber ich verspreche euch, sie werden tot sein, so wie ihr sterben mußtet. Und soviel ich auch in meinem langen Leben getötet habe - diesmal kann ich sagen: Es war gut!‹«

 
     
    Z wei Nächte später kehrte ich zurück. Ich mußte den Keller sehen, wo jeder Stein rauchgeschwärzt war und nur noch einige kahle Balken wie Grabpfähle in den Himmel ragten. Ich kaufte mir die Abendzeitungen und las in einem kleinen Cafe die Berichte über die Feuersbrunst. Es waren nur wenige Leichen in dem ausgebrannten Theater gefunden worden, doch überall verstreute Kleider und Kostüme, als hätten die berühmten Vampirkünstler das Haus vor dem Feuer in Eile verlassen. Die Zeitungen erwähnten keine Zeugen des Brandes, kein überlebendes Opfer. Ich fürchtete die Vampire nicht, falls einige entkommen sein sollten; ich hatte auch nicht das Bedürfnis, sie zu verfolgen. Der größte Teil war verbrannt, soviel stand fest. Aber war kein menschliches Wachpersonal im Haus gewesen? Santiago hatte davon gesprochen und damit vermutlich die Schließer und Portiers und Bühnenarbeiter gemeint, die dort beschäftigt gewesen waren. Ich hatte sogar damit gerechnet, ihnen mit der Sichel in der Hand zu begegnen, war jedoch auf keinen Menschen gestoßen.
    Und als ich schließlich die Zeitungen aus der Hand legte, vergaß ich das Ganze sofort. Es war letzten Endes gleichgültig. Mir lag etwas anderes auf der Seele: daß ich jetzt mutterseelenallein war, so allein wie noch nie in meinem Leben. Daß Claudia fort war, fort mit gnadenloser Endgültigkeit. Und daß ich weniger Grund hatte weiterzuleben als je zuvor und weniger das Verlangen danach.
    Wohin sollte ich gehen, wenn nicht in den Tod? Ich verließ das Cafe, umkreiste noch einmal die Ruine des Theaters und wanderte durch die breite Avenue Napoleon zum Louvre. Es war, als riefe mich das Museum, in dem ich noch nie gewesen war» Wohl hundertmal war ich vor seiner langen Fassade auf und ab geschritten und hatte gewünscht, einen Tag als Sterblicher zu leben, durch die Säle zu gehen und die herrlichen Gemälde zu bewundern. Jetzt stieg abermals dieser Wunsch in mir auf, die vage Vorstellung, daß ich in den Kunstwerken Trost finden könnte.
    Da hörte ich Schritte hinter mir, vertraute Schritte, die ich als Armands erkannte. Ich drehte mich nicht um, verlangsamte nur meinen Schritt, um ihn heranzulassen, und dann gingen wir eine Weile schweigend nebeneinander her. Ich wagte nicht, ihn anzusehen. Natürlich hatte ich an ihn gedacht, hatte mir vorgestellt, wie ich, wären wir Menschen gewesen und Claudia meine verlorene Geliebte, ihm hilflos in die Arme gesunken wäre, um meinen Kummer mit ihm zu teilen. Jetzt schien der Damm brechen zu wollen, doch er brach nicht. Ich war wie gelähmt, als ich neben ihm ging.
    Schließlich sagte ich: ›Du weißt, was ich getan habe. Du hast deinen Sarg fortgeschafft, wie ich dir geraten hatte…‹
    ›Ja‹, erwiderte er. Seine Stimme klang tröstlich. Das schwächte mich. Doch ich war dem Schmerz einfach zu fern, war zu müde.
    ›Und doch bist du jetzt hier bei mir. Hast du die Absicht, sie zu rächen?‹
    ›Nein‹, sagte er.
    ›Sie waren deine Kameraden, du warst ihr Anführen, fuhr ich fort. ›Aber du hast sie nicht gewarnt, so wie ich dich gewarnt hatte?‹
    ›Nein‹, sagte er.
    ›Sicher verachtest du mich jetzt‹, sagte ich. ›Sicher bindet dich eine Treuepflicht an deine Gefährten.‹
    ›Nein‹, wiederholte er.
    Er war erstaunlich. Seine Antwort erschien mir folgerichtig, obwohl ich sie nicht verstehen, geschweige denn erklären konnte. Ich fragte weiter: ›Es waren doch Wachen dort, Angestellte, die in dem Theater schliefen. Wieso waren sie nicht da, als ich eindrang? Warum erfüllten sie nicht ihre Pflicht, die schlafenden Vampire zu schützen?‹
    ›Sie standen in meinen Diensten, und ich habe sie entlassene erwiderte Armand. ›Ich hatte sie weggeschickt‹.
    Ich sah ihn an, und er wich meinem Blick nicht aus, und ich wünschte, die Welt wäre für mich keine leere Trümmerstätte von Asche und Tod. Ich wünschte, sie wäre frisch und schön, und wir lebten beide und könnten einander Liebe geben. ›Du hast es getan‹, fuhr ich fort, ›obwohl du wußtest, was ich vorhatte?‹
    ›Ja‹, sagte er.
    ›Aber du warst ihr Führer!‹ sagte ich. ›Sie haben dir vertraut, du hast mit ihnen zusammengelebt. Ich verstehe dich nicht… warum…?‹
    Er sagte ruhig: ›Denke dir irgendeine

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