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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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doch aus ihren Reden konnte man schließen, daß sie solche Lügen nicht mehr glaubten. Und fortan schrieben sie uns nicht nur die toten Sklaven zu, die man in den Feldern und Mooren fand, und nicht nur die toten Pferde und das tote Vieh, sondern auch alle anderen unerklärlichen Ereignisse; und Überschwemmungen und Gewitter waren nunmehr Waffen Gottes in einem persönlichen Kampf gegen Louis und Lestat. Aber obgleich wir Teufel waren, liefen sie nicht davon, denn sie hätten unserer Macht nicht entrinnen können. Nein, wir mußten vernichtet werden. Und an einer Versammlung, der ich ungesehen beiwohnte, nahmen zahlreiche Sklaven der Freniéres teil.
    Das bedeutete natürlich, daß es die ganze Küste erfahren würde. Zwar glaubte ich fest, die anderen Pflanzer würden gegen eine Welle der Hysterie unempfänglich sein, doch es schien mir klüger, kein Aufsehen zu erregen. Ich sagte zu Lestat, daß unser Spiel, das Leben von Plantagenbesitzern vorzutäuschen, zu Ende sei. Er müsse auf die Sklavenpeitsche und auf seinen goldenen Serviettenring verzichten und in die Stadt ziehen.
    Natürlich weigerte er sich. Sein Vater sei schwer krank und würde nicht mehr lange leben; er habe nicht die Absicht, vor einfältigen Sklaven die Flucht zu ergreifen. ›Ich werde sie alle töten‹, sagte er ruhig, ›zu dreien und zu vieren. Die übrigen werden davonlaufen, und das ist gut so.‹
    »Du redest Unsinn‹, sagte ich. »Ich möchte, daß du gehst. Darum handelt es sich.‹
    ›Du möchtest, daß ich gehe! Du!‹ spottete er. Er saß am Tisch im Speisezimmer, hatte sich meine schönen französischen Spielkarten vorgenommen und baute ein Kartenhaus. ›Du feiger Wicht von einem Vampir, der du nachts umherstreichst, um streunende Katzen und Ratten zu erlegen, und stundenlang Kerzen anstarrst, als wären sie Menschen, und im Regen stehst wie ein Mondsüchtiger, bis deine Kleider durchnäßt sind und du wie ein alter Kleiderkoffer in einer Dachkammer riechst und aussiehst wie einer, dem alle Felle weggeschwommen sind.‹
    ›Du hast mir nichts mehr zu sagen‹, erwiderte ich. ›Deine fortdauernde Sorglosigkeit hat uns beide in Gefahr gebracht. Ich könnte allein in der Kapelle leben, während das Haus zusammenstürzt. Mir ist es gleichgültige erzählte ich ihm. Und das war die Wahrheit. ›Aber du mußt vom Leben alles haben, was du früher nicht gehabt hast, und du machst aus der Unsterblichkeit einen Trödelladen, in dem wir beide die Hampelmänner sind. Geh jetzt und sieh nach deinem Vater und sage mir, wie lang er noch zu leben hat - so lange kannst du noch bleiben, und auch nur, wenn uns die Sklaven in Ruhe lassen.‹
    Er antwortete, ich solle selber nach dem Alten sehen, da ich meine Nase ohnehin in alles stecke, und ich tat es. Der Greis lag tatsächlich im Sterben- Mir war ein langes Sterben meiner Mutter erspart geblichen; sie hatte eines Nachmittags plötzlich die Augen geschlossen. Man hatte sie mit ihrem Nähkorb friedlich im Hof sitzend gefunden; sie war gestorben, als sei sie eingeschlafen. Doch nun wohnte ich einem langsamen Sterben bei, mit allen Todesqualen und dem Wissen, daß es zu Ende geht. Und ich hatte den alten Mann immer gern gehabt; er war freundlich und schlicht und stellte wenig Ansprüche. Am Tag saß er in der Sonne auf ‘der Terrasse und döste und lauschte den Vögeln, und nachts freute er sich über unser Geschwätz, wenn wir ihm Gesellschaft leisteten. Er konnte Schach spielen, wobei er jeden Stein sorgfältig befühlte und den Stand der Partie mit erstaunlicher Genauigkeit im Kopf behielt. Lestat spielte niemals mit ihm, aber ich tat es oft. Und jetzt lag er da und rang nach Luft, mit heißer und feuchter Stirn auf dem schweißdurchnäßten Kissen. Und während er stöhnte und den Tod herbeiflehte, spielte Lestat im Nebenzimmer auf dem Spinett. Ich ging hinüber, schlug es zu und klemmte ihm fast die Finger ein. ›Du wirst nicht spielen, während er stirbt!‹ sagte ich. ›Ich tue, was ich will‹, erwiderte er. ›Ich schlage die Trommel, wenn es mir Spaß macht.‹ Und er nahm einen großen Silberteller von der Anrichte und schlug mit einem Löffel dagegen wie auf einen Gong.
    Ich befahl ihm aufzuhören, oder ich würde ihn dazu zwingen. Und dann wurde unser Streit unterbrochen, denn der Alte nebenan rief Lestats Namen. Er müsse mit ihm sprechen, sagte er, jetzt, da er im Sterben liege. ›Geh zu ihm!‹ befahl ich Lestat. ›Warum soll ich?‹ fragte er. »Ich habe mich jahrelang um ihn

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