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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gekümmert. Ist das nicht genug ?‹ Nichtsdestoweniger ging er, aber als er sich an das Fußende des Bettes setzte, zog er eine Nagelfeile aus der Tasche und begann an seinen langen Nägeln zu feilen.
    Inzwischen hatte ich bemerkt, daß sich Sklaven im Haus bewegten. Sie horchten und beobachteten. Ich hoffte inständig, der alte Mann würde in wenigen Minuten sterben. Schon mehrmals hatte ich Zweifel und Argwohn gegen den einen oder anderen von ihnen gehegt, aber noch nie gegen so viele. Nun läutete ich nach Daniel, dem Schwarzen, dem ich Stellung und Haus des Aufsehers übertragen hatte. Während ich auf ihn wartete, konnte ich hören, wie der Alte mit seinem Sohn sprach, der mit gekreuzten Beinen dasaß, eine Braue hochgezogen, und seine ganze Aufmerksamkeit seinen Nägeln widmete. ›Es war die Schule‹, sagte der Greis. ›Ach, ich weiß, du erinnerst dich… was kann ich dir sagen…‹, stöhnte er.
    ›Es ist besser, du sagst es‹, erwiderte Lestat, ›weil du im Sterben liegst.‹ Der alte Mann machte ein fürchterliches Geschrei, und ich glaube, ich habe auch etwas gerufen. Nie hatte ich ihn mehr verabscheut; am liebsten hätte ich ihn aus dem Zimmer gewiesen. ›Nun, du weißt es doch?‹ fuhr er fort. ›Sogar ein Narr wie du weiß es‹, sagte Lestat.
    ›Du wirst mir niemals verzeihen, nein? Nicht einmal jetzt, und auch nicht, wenn ich tot bin?‹ fragte der Alte.
    ›Ich weiß nicht, wovon du sprichst, sagte Lestat.
    Meine Geduld mit Lestat war erschöpft. Der Greis erregte sich mehr und mehr, während er seinen Sohn anflehte, ihn mit einem warmen Herzen anzuhören. Die ganze Szene, deren Zeuge ich wurde, ließ mich schaudern. Inzwischen war Daniel gekommen, und im gleichen Augenblick, da ich ihn sah, wußte ich, daß in Pointe du Lac alles verloren war. Wäre ich wachsamer gewesen, hätte ich schon früher Anzeichen dafür gesehen. Daniel blickte mich starr wie mit gläsernen Augen an. Ich war ein Ungeheuer für ihn. Ich ignorierte seinen Gesichtsausdruck und sagte: ›Monsieur Lestats Vater ist sehr krank. Er wird sterben. Der Arzt ist unterwegs. Ich bitte mir Ruhe aus heute nacht; die Leute sollen alle in ihren Hütten bleiben.‹ Er starrte mich an, als hätte ich ihn belogen. Und dann bewegten sich seine kalten Blicke von mir fort und auf die Tür zum Zimmer des alten Mannes, und sein Ausdruck veränderte sich derart, daß ich unwillkürlich aufstand und in das Zimmer schaute. Dort hockte Lestat am Fußende des Bettes und bearbeitete eifrig seine Fingernägel und zog dabei eine solche Grimasse, daß seine beiden Vorderzähne weit herausstanden.«
    Der Vampir unterbrach seine Erzählung. Seine Schultern zuckten unter einem lautlosen Gelächter. Er blickte den Jungen an, und der Junge senkte schüchtern die Augen. Aber er hatte schon vorher den Mund des Vampirs fixiert und gesehen, daß die Lippen eine andere Beschaffenheit hatten als die übrige Gesichtshaut, daß sie seidenweich und zart gezeichnet waren, doch leichenweiß. Und er hatte auch die weißen Zähne gesehen; aber der Vampir hatte eine besondere Art zu lächeln, ohne sie vollständig zu entblößen; und der Junge hatte bis heute nicht gedacht, daß es solche Zähne geben konnte.
    »Du kannst dir vorstellen«, fuhr der Vampir fort, »was das bedeutete. Ich mußte ihn töten.«
    »Wie bitte?«
    »Ich mußte Daniel töten. Er schickte sich an davonzulaufen, und er hätte die ganze Plantage alarmiert. Vielleicht hätte es eine andere Lösung gegeben, doch es war keine Zeit mehr. Und so lief ich ihm nach und überwältigte ihn. Doch dann, als ich im Begriffe war zu tun, was ich vier Jahre lang nicht mehr getan hatte, zögerte ich. Dies war ein Mensch. Er hatte sein Messer mit dem beinernen Griff bei sich, um sich zu verteidigen. Ich nahm es ihm ohne Mühe aus der Hand und stieß es ihm ins Herz. Er sank sogleich auf die Knie und umklammerte die Klinge, über die das Blut lief, und verblutete. Der Anblick und der Geruch des Blutes machten mich rasend; ich glaube, ich stöhnte laut auf. Aber ich bemächtigte mich seiner nicht, ich wollte nicht. Dann sah ich Lestat im Spiegel über der Kredenz. ›Warum hast du das getan?‹ fragte er. Ich wandte mich zu ihm um, überzeugt, daß er meinen haltlosen Zustand nicht bemerken würde. Sein Vater sei im Delirium, fuhr er fort, er könne nicht verstehen, was der Alte sprach. Ich versuchte, meine Fassung wiederzuerlangen. ›Die Sklaven wissen Bescheide sagte ich, ›du mußt zu den Hütten gehen und

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