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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ermahnte, alles aufzuessen, was wir auf dem Teller hatten, und unseren Wein nicht zu schnell zu trinken. Dutzendemal empfing ich in meinem verdunkelten Schlafzimmer mit kläglichen Kopfschmerzen, die Bettdecke übers Kinn gezogen, meine Schwester und ihren Gatten; bat sie, wegen meiner Augenschmerzen mit dem spärlichen Licht vorliebzunehmen, und vertraute ihnen größere Geldbeträge an, die sie für uns alle anlegen sollten. Glücklicherweise war der Mann ein Idiot, harmlos, aber nichtsdestotrotz ein Idiot, das Produkt von Ehen zwischen Vettern und Cousinen ersten Grades durch vier Generationen.
    Soweit ging alles gut; doch mit den Sklaven hatten wir Schwierigkeiten. Sie waren es, die Argwohn hegten; denn Lestat fuhr fort, nach Belieben den einen oder anderen von ihnen umzubringen, so daß die Reden über geheimnisvolle Todesfälle an diesem Teil der Küste nicht aufhörten. Doch was sie von uns sahen, war der eigentliche Anlaß des Geredes, und ich hörte es eines Abends, als ich mich wie ein Schatten zwischen den Hütten der Sklaven bewegte.
    Laß mich dir zuerst den Charakter dieser Sklaven schildern. Um das Jahr 1795 hatten Lestat und ich vier Jahre lang verhältnismäßig ungestört gelebt; ich legte das Geld an, das er beschaffte, vergrößerte unsere Ländereien und erwarb Wohnungen und Häuser in New Orleans, die ich vermietete, denn unsere Plantage selber warf nicht viel ab… sie war mehr ein Deckmantel als eine lohnende Geldanlage. Ich sagte ›unsere‹ -aber das ist falsch. Ich habe Lestat nie etwas überschrieben, und noch war ich ja nach dem Gesetz am Leben. Doch damals waren die Sklaven noch nicht so, wie du sie aus Filmen und Romanen über den Süden kennst, keine sanften, braunhäutigen Geschöpfe in eintönigen Lumpen, die einen englischen Dialekt sprachen. Es waren Afrikaner, und einige waren von der Insel Santo Domingo gekommen. Sie waren wild und rabenschwarz.; sie sprachen ihr heimisches Afrikanisch und ein französisches Plan; und wenn sie sangen, dann sangen sie afrikanische Lieder, und unsere Felder kamen mir fremd und exotisch vor; und so lange ich lebte, lief mir immer ein Schauer über den Rücken, wenn ich ihre Lieder hörte. Sie waren abergläubisch und hatten ihre eigenen Überlieferungen und Geheimnisse. Kurzum, das Afrikanische in ihnen war noch nicht völlig zerschlagen worden. Die Sklaverei war der Fluch ihres Lebens, doch waren sie noch nicht ihrer Eigenart beraubt. Sie duldeten die Taufe und die bescheidenen Kleider, die ihnen die französischen Katholiken auferlegten; doch sobald es dunkel wurde, verwandelten sie ihre billigen Fetzen in malerische Kostüme, fertigten sich Schmuck an aus Tierknochen und Metallabfällen, die sie polierten, bis sie wie Gold glänzten; und aus den Sklavenhütten von Pointe du Lac wurde ein fernes Land, ein Stück geheimnisvolles Afrika, in das sich nicht einmal die kaltblütigsten Aufseher wagten. Ein Vampir jedoch hatte natürlich nichts zu fürchten.
    An einem Sommerabend, als ich wie ein Schatten zwischen ihnen wanderte, hörte ich durch die offene Tür der Hütte des Vorarbeiters eine Unterhaltung, die mich davon überzeugte, daß Lestat und ich in Gefahr schwebten. Die Sklaven wußten jetzt, daß wir keine gewöhnlichen Sterblichen waren. Mit gedämpfter Stimme erzählten die Mädchen, die im Herrenhaus Dienst taten, wie sie uns von leeren Tellern hätten essen sehen, wie wir leere Gläser an die Lippen gehoben hätten, lachend und mit geisterbleichen Gesichtern im Kerzenlicht, der blinde Greis ein hilfloser Narr in unseren Händen. Durchs Schlüsselloch hatten sie Lestats Sarg gesehen, und einmal war eine von ihm gnadenlos verprügelt worden, weil sie vor den zur Galerie führenden Fenstern seines Zimmers herumtrödelte. ›Es steht kein Bett in seinem Zimmer‹, flüsterte eine der anderen zu, und sie nickten mit den Köpfen. ›Er schläft in einem Sarg, ich weiß es.‹ Aus mancherlei Anzeichen konnten sie schließen, was wir waren. Und was mich betrifft, so hatten sie mich Abend für Abend erblickt, wie ich aus der Kapelle auftauchte, die inzwischen nicht mehr war als ein formloser Ziegelhaufen, von Weinreben umrankt, im Frühling überwuchert von blühenden Glyzinien, im Sommer von wilden Rosen, während sich auf den alten ungestrichenen Fensterläden, die nie mehr geöffnet wurden, das Moos ausbreitete und Spinnen in den Steinbögen ihre Netze bauten. Natürlich gab ich vor, die Kapelle zum Gedächtnis meines Bruders Paul aufzusuchen,

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