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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sich kaum beim Atmen, und eine Locke ihres langen blonden Haares war um die eine kleine Hand gewickelt. Ich konnte es nicht ertragen, sie anzusehen - ich begehrte sie und wollte sie nicht sterben lassen; und je länger ich sie anschaute, desto stärker konnte ich fühlen, wie mein Arm sie umfing und an mich zog, konnte ihre zarte Haut, ihren weichen Hals fühlen. Weich, ja, das war sie, so weich. Ich versuchte mir einzureden, es sei für sie am besten zu sterben - was sollte wohl aus ihr werden?-, doch diese Gedanken logen. Ich wollte sie! Und so nahm ich sie in die Arme und hielt sie fest, ihre warme Wange an meiner, das Haar an meinen Lidern und auf meinen Händen, der liebliche Duft eines Kindes, stark und lebensvoll trotz Krankheit und Tod. Jetzt seufzte sie leise im Schlaf, und das war mehr, als ich ertragen konnte. Ich mußte sie töten, ehe sie erwachte und es merkte. Und so ging ich ihr an die Kehle und hörte Lestat sagen: ›Nur ein kleiner Biß. Es ist nur ein kleiner Hals.‹ Und ich gehorchte ihm.
    Ich will nicht noch einmal erzählen, wie es war, nur daß es mich sehr in Anspruch nahm, so wie es immer gewesen, nur noch mehr; so daß meine Knie nachgaben und ich halb auf dem Bett lag, während ich saugte, und ihr Herz schlug und schlug, als wolle es nicht aufgeben. Und plötzlich, während ich fortfuhr und auf das Nachlassen des Herzschlags wartete, der den Tod bedeutete, riß Lestat mich von ihr weg. Ich flüsterte: ›Sie ist ja noch nicht tot!‹ Doch es war vorbei. Die Möbel des Zimmers schälten sich aus der Dunkelheit heraus. Ich saß wie betäubt da und starrte sie an, zu schwach, mich zu bewegen; mein Kopf war gegen das Kopfbrett des Bettes gerollt, und meine Hände preßten sich auf die Bettdecke. Lestat nahm das Kind an sich, sprach mit ihr und sagte einen Namen: ›Claudia, Claudia - hörst du mich? - Komm zu dir, Claudia^ Er trug sie aus dem Schlafzimmer in den Salon und sprach so leise und sanft, daß ich ihn kaum verstehen konnte. ›Du bist krank, verstehst du mich? Du mußt tun, was ich dir sage, damit du wieder gesund wirst.‹ Dann wurde es still, und ich hatte mich nun soweit erholt, daß ich begriff, was er tat: Er hatte sich eine Pulsader aufgeschnitten, sie dem Mädchen gereicht, und nun ließ er sie trinken. ›So ist es gut, Liebes‹, redete er ihr zu, ›trink mehr, damit du gesund wirst!‹
    ›Hol dich der Teufel!‹ rief ich, und er zischte mich an mit flammenden Augen. Er saß auf dem Sofa, das Kind auf dem Schoß. Es hielt sich an seinem Ärmel fest und hatte den Mund auf sein Handgelenk gelegt; und ich konnte sehen, wie sich seine Brust hob und senkte und sein Gesicht sich auf eine Weise verzog, wie ich es noch nie gesehen hatte. Er stöhnte und flüsterte ihr wieder zu fortzufahren, und als ich einen Schritt näher trat, warf er mir einen Blick zu, als wolle er sagen: Ich bringe dich um.
    ›Warum tust du das. Lestat?‹ flüsterte ich. Jetzt wollte er sie sanft fortschieben, doch sie ließ nicht los. Ihre Händchen klammerten sich an seinen Fingern fest und zogen sein Handgelenk an ihren Mund. ›Genug, genug‹, sagte er mit sichtlichem Schmerz und drückte mit beiden Händen ihre Schultern zurück. Sie knurrte und versuchte ungestüm, sein Handgelenk mit den Zähnen zu erreichen, doch vergeblich: Und dann blickte sie ihn mit dem unschuldigsten Erstaunen an. Er stand auf, die Hand noch wie abwehrend ausgestreckt, dann wickelte er ein Taschentuch um seinen Puls, trat zur Tür, ohne die Augen von ihr zu lassen, und zog die Klingel.
    ›Was hast du getan, Lestat?‹ rief ich. ›Was hast du getan?‹ Ich starrte das Mädchen an. Sie saß gelassen auf dem Bett, rosig und voller Leben, ohne das geringste Zeichen der Schwäche, hatte die Beine auf dem Damast ausgestreckt, und das weiße Hemd floß wie ein Engelsgewand um die kleine Gestalt. Ihr Blick war noch immer auf Lestat gerichtet. ›Ich nicht‹, sagte er zu ihr, ›ich nicht, niemals mehr, verstehst du? Aber ich werde dir zeigen, was du tun mußt!‹ Als ich, Rechenschaft fordernd, versuchte, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, stieß er mich grob zur Seite. Er versetzte mir so einen Schlag, daß ich gegen die Wand taumelte. Dann klopfte es, und ich wußte, was er vorhatte. Noch einmal wollte ich ihn zurückhalten, doch er drehte sich so schnell um, daß ich gar nicht sah, wie er nach mir schlug. Ich sank auf einen Stuhl. Lestat öffnete die Tür. ›Kommen Sie bitte herein - hier ist ein Unfall passiert‹,

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