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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Sie betete zur Heiligen Jungfrau um Hilfe, fuhr sich mit den Händen bald ins Gesicht, bald in die Haare und verschmierte das Blut, das aus ihren Pulsadern drang. Ich beugte mich über den Sarg. Sie starb, daran war kein Zweifel; ihre Augen brannten, und das Gewebe neben den Augen lief schon bläulich an. Jetzt lächelte sie. ›Sie lassen mich nicht sterben, nicht wahr?‹ flüsterte sie. ›Sie werden mich retten.‹ Lestat trat hinzu und ergriff ihr Handgelenk. ›Es ist zu spät, Liebsten sagte er. ›Sieh deine Brust an, deinen Puls.‹ Und dann berührte er die Wunde ihrer Kehle. Sie legte die Hand darauf und rang nach Luft, mit aufgerissenem Mund, den Schrei erstickend. Ich starrte Lestat an; ich konnte nicht verstehen, warum er dies tat. Sein Gesicht war jetzt glatt wie mein eigenes, etwas belebter durch das Blut, doch seine Miene war kalt und gefühllos.
    Er blickte nicht tückisch wie ein Bösewicht auf der Bühne, nicht lüstern auf ihr Leiden, als sei Grausamkeit seine Nahrung. Er beobachtete sie in aller Ruhe. ›Ich wollte nie etwas Unrechtes tun‹, schluchzte das Mädchen jetzt. ›Ich habe nur getan, was ich mußte. Sie werden das nicht zulassen, nicht wahr? Sie werden mich nicht sterben lassen! Ich kann so nicht sterben, ich kann nicht.‹ Sie schluchzte schwach und tränenlos. ›Ich muß einen Priester haben. Lassen Sie mich zu einem Priester gehen!‹.
    ›Mein Freund hier ist Priester‹, sagte Lestat lächelnd, als wolle er sich einen Spaß machen. »Dies ist dein Begräbnis, mein Liebling. Siehst du, du warst auf einer Abendgesellschaft und bist gestorben. Aber Gott hat dir noch einmal die Gelegenheit gegeben, von deinen Sünden freigesprochen zu werden. Beichte ihm deine Sünden.‹
    Erst schüttelte sie den Kopf, und dann blickte sie mich wieder mit diesen flehenden Augen an. ›Ist das wahr?‹ flüsterte sie.
    ›Nun‹, sagte Lestat, ›mir scheint, du bist nicht zerknirscht. Ich werde den Deckel schließen^
    ›Hör auf, Lestat‹, fuhr ich ihn an. Das Mädchen heulte wieder, und ich konnte den Anblick nicht länger ertragen. Ich beugte mich nieder und nahm sie bei der Hand. ›Ich kann mich nicht an meine Sünden erinnern‹, sagte sie, gerade als ich, entschlossen, sie zu töten, ihre Pulsadern musterte. »Gib dir keine Mühe‹, sagte ich. ›Es genügt, wenn du Gott sagst, daß es dir leid tut. Dann wirst du sterben, und es wird vorüber sein…‹ Sie legte sich zurück und schloß die Augen. Ich schlug meine Zähne in ihre Adern und trank sie leer. Sie bewegte sich noch einmal wie im Traum und sagte einen Namen; und dann, als ich fühlte, wie ihr Herzschlag immer langsamer wurde, ließ ich von ihr ab, stand verwirrt und taumelnd auf und hielt mich am Türrahmen fest. Ich sah sie wie in einem Traum ganz still daliegen, die Kerzen flimmerten vor meinen Augen, und Lestat saß wie ein Leidtragender an ihrem Bett. Sein Gesicht war unbewegt. ›Louis‹, sagte er zu mir, verstehst du nicht? Du wirst erst Frieden finden, wenn du dies jede Nacht deines Lebens tun kannst. Es gibt nichts anderes. Aber dies ist alles.‹ Seine Stimme war beinahe zart, als er so sprach, und er stand auf und legte mir beide Hände auf die Schultern. Ich schrak vor seiner Berührung zurück, doch ich war nicht beherzt genug, ihn wegzustoßen, und ging ins Nebenzimmer. Er folgte mir und sagte: ›Komm mit mir hinunter auf die Straße. Es ist spät. Du hast nicht genug getrunken. Laß mich dir zeigen, was du bist. Was du wirklich bist! Verzeih mir, wenn ich es falsch gemacht und zuviel dem natürlichen Lauf der Dinge überlassen habe. Komm!‹
    ›Ich kann es nicht ertragen, Lestat‹, wiederholte ich. ›Du hast dir einen schlechten Kameraden gewählt.‹
    ›Aber Louis‹, sagte er, ›du hast es ja noch gar nicht versucht!«

    Der Vampir schwieg und betrachtete aufmerksam die Miene des Jungen. Und der Junge wußte nicht, was er sagen sollte.
    »Was Lestat gesagt hatte, war richtig«, fuhr der Vampir nach einer Weile fort. »Ich hatte nicht genug getrunken. Und von der Angst des Mädchens erschüttert, ließ ich mich von ihm über die Hintertreppe aus dem Hotel führen. Aus dem Ballsaal an der Rue Condé kamen Gäste, in den Hotels wurden Abendgesellschaften veranstaltet; viele Pflanzerfamilien aus der Umgebung logierten in der Stadt; die engen Straßen waren voller Menschen, und wir gingen hindurch wie zwei Nachtmahre. Mein Leid schien mir unerträglich. Nie seit meinem menschlichen Dasein hatte ich seelisch so

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