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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gelitten, und zwar deshalb, weil ich Lestat recht geben mußte. Ich kannte Frieden nur, während ich tötete, nur diese eine Minute lang; und wenn ich Geringeres tötete als ein menschliches Wesen, daran war kein Zweifel, blieb nichts als ein vages Verlangen, jene Unruhe, die mich immer wieder zu den Menschen trieb, um ihr Leben durch ein Fenster zu betrachten. Ich war kein Vampir. Und in meiner Qual dachte ich, unvernünftig wie ein Kind: Konnte ich nicht umkehren? Wieder ein Mensch sein? Und sogar als das Blut des Mädchens noch warm in mir gewesen war und ich mich verzückt und stark fühlte, stellte ich mir diese Frage. Die Gesichter der Menschen flackerten an mir vorüber wie Kerzenflammen, die auf dunklen Wogen tanzen, und ich versank in der Finsternis. Ich war es müde, mich nach etwas zu sehnen. Ich drehte mich im Kreis herum, betrachtete die Sterne und dachte: Ja, es ist wahr, ich weiß, was er sagt, ist wahr - wenn ich töte, hört das Verlangen auf; doch ich kann diese Wahrheit nicht ertragen.
    Plötzlich war da einer jener Augenblicke, in denen alles erstarrte. Wir hatten inzwischen die Hauptstraße der alten Stadt verlassen und waren bei den Festungswällen angelangt. Es war ganz ruhig, keine Lichter brannten, und nur von fern hörte man Lachen. Doch wir waren ganz allein. Ich spürte die heiße Nacht und einen leisen Windhauch vom Fluß, und Lestat neben mir war so still, daß er aus Stein hätte sein können. Über die lange, niedrige Reihe der spitzen Dächer wölbten sich die schwarzen Eichengipfel unter dem Sternenhimmel. Die Qual war vergangen, die Verwirrung vorüber. Ich schloß die Augen und hörte den Wind und das sanfte, schnelle Rauschen des Flusses. Aber ich wußte, daß dieser Zustand nicht andauern würde; er würde entweichen, als risse man etwas aus meinen Armen, und ich würde ihm nacheilen, einsamer und verzweifelter als jede Kreatur. Und dann dröhnte eine Stimme neben mir in der Stille der Nacht, tief wie ein Trommelschlag, und sagte: ›Tu, was dir deine Natur befiehlt. Das war nur ein Vorgeschmack. Tu, was dir deine Natur befiehlt.‹ Und der Augenblick des Friedens war verflogen. Ich stand wie das Mädchen im Salon des Hotels, betäubt und der kleinsten Einflüsterung zugänglich, und nickte zurück, als Lestat mir zunickte. ›Die Qual ist schrecklich für dich‹, sagte er. ›Du fühlst sie wie keiner sonst, weil du ein Vampir bist. Du willst nicht, daß sie andauert.‹
    ›Nein‹, antwortete ich. ›Ich möchte mich so fühlen, wie ich mich fühlte, als ich bei ihr war, mit ihr verbunden und schwerelos, wie in einem Tanz.‹
    »Das und mehr‹, sagte er. Seine Hand schloß sich über der meinen. ›Wende dich nicht ab, komm mit mir.‹
    Er führte mich schnell durch die Straßen und wandte sich jedesmal um, wenn ich zögerte, die Hand ausgestreckt, ein Lächeln auf den Lippen. Seine Gegenwart war mir so wundersam wie in der Nacht, da er in mein Leben getreten war und gesagt hatte, wir würden Vampire sein. ›Das Böse ist Sache des Standpunktes‹, flüsterte er. ›Wir sind unsterblich. Und was wir vor uns haben, sind die reichen Festmähler, die das Gewissen nicht billigen kann und von denen die Sterblichen nicht ohne Bedauern wissen. Gott tötet, und so werden wir töten, unterschiedslos. Er nimmt die Reichsten und die Ärmsten, so wie wir; denn kein Wesen unter Gott ist so wie wir, nicht so ihm gleich wie wir, dunkle Engel, die nicht auf die Hölle beschränkt sind, sondern seine Erde durchwandern und alle ihre Reiche… Ich möchte ein Kind heute nacht. Ich bin wie eine Mutter… ich möchte ein Kind.‹
    Ich hätte wissen sollen, was er meinte. Aber er hatte mich verzaubert, hypnotisiert. Er spielte mit mir, wie er es getan hatte, als ich noch sterblich war, und er führte mich. ›Deine Qual wird enden‹, sagte er.
    Wir waren an einem Haus mit erleuchteten Fenstern angelangt und betraten es durch eine kleine Tür. Und dann, in einem engen Korridor, wo ich meinen eigenen Atem wie Windesrauschen hören konnte, schlich Lestat an der Wand entlang, bis sein Schatten im Lichte einer geöffneten Tür mit dem Schatten eines anderen Mannes zusammenfiel; und ich hörte sie flüstern wie das Rascheln trockener Blätter. ›Was ist los?‹ fragte ich, als er zurückkam, in der plötzlichen Furcht, meine unbeschwerte Stimmung könne enden. Wieder sah ich die Traumlandschaft vor mir, die ich gesehen, als ich mit Babette gesprochen hatte; wieder fühlte ich den Kälteschauer der

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