Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Waffen griffbereit. Und sie kamen, diesmal, um mich zu töten, genau wie ich es erwartet hatte. In letzter Sekunde schwang ich den Morgenstern. Ich hörte die Kugel Knochen brechen, und schon grub sich mein Degen in den Schlund der Bestie.
Der andere Wolf war dicht neben mir. Er schlug seine Zähne in meine Reithosen. Noch eine Sekunde, und er würde mir das Bein aus dem Gelenk reißen. Aber ein gezielter Degenhieb schlitzte ihm den halben Kopf auf. Ich setzte mit dem Morgenstern nach. Der Wolf ließ von mir ab. Ich sprang zurück, und jetzt hatte ich genug Bewegungsfreiheit, um den Degen bis zum Heft in die Brust des Tiers zu rammen.
Das war das Ende.
Das Rudel war tot. Ich lebte.
Und die einzigen Geräusche in dem leeren, schneebedeckten Tal waren mein Atem und das Röcheln meines sterbenden Pferdes. Ich weiß nicht, ob ich noch Herr meiner Sinne war. Ich weiß nicht, ob das, was mir durch den Kopf ging, Gedanken waren. Am liebsten hätte ich mich in den Schnee sinken lassen. Statt dessen schleppte ich mich zu dem Pferd. Es versuchte aufzustehen, wobei es wieder diesen markerschütternden Klagelaut ausstieß. Ein Schrei, der sich in den Bergen brach und bis in die Wolken dröhnte. Ich nahm mein Gewehr vom Sattel, lud durch und gab ihm den Gnadenschuß.
Das Pferd hatte seinen Frieden gefunden; tot und blutend lag es in dem lautlosen Tal. Mir schauderte. Der Gestank der Wölfe und der Gestank des Blutes hingen schwer in der Luft, und mit einem würgenden Geräusch kotzte ich in den Schnee.
Als ich zu laufen versuchte, wäre ich beinahe hingefallen. Aber ich ging geradewegs zu dem Wolf, der mich um ein Haar getötet hätte, warf ihn über meine Schulter und begab mich auf den Heimweg.
Ich brauchte wohl zwei Stunden. Doch sicher bin ich mir in dieser Beziehung abermals nicht. Aber was ich auch immerwährend meines Kampfes empfunden und durchgemacht haben mochte - diese Wölfe wollten mir nicht mehr aus dem Kopf. Jedesmal, wenn ich stolperte und hinfiel, verhärtete sich, verschlimmerte sich etwas in mir.
Ich glaube, als ich das Schloßtor endlich erreicht hatte, war ich nicht mehr Lestat. Es war jemand anderes, der da durch die Eingangshalle taumelte mit diesem Wolf über der Schulter. Alle Lebenswärme war aus dem Kadaver gewichen, und die plötzliche Kaminglut brannte mir in den Augen. Ich war so erschöpft, daß ich nicht mehr wußte, wo mir der Kopf stand.
Und obgleich ich sofort zu erzählen anfing, als sich meine Brüder vom Tisch erhoben und meine Mutter meinen Vater anstippte, der damals schon blind war und wissen wollte, was los sei, habe ich keine Ahnung, was ich redete. Ich weiß, daß meine Stimme ziemlich dumpf klang, und mir entging wohl auch nicht ganz, daß mein Bericht ungewöhnlich schlicht ausfiel: »Und dann… und dann…« Ungefähr so.
Aber plötzlich weckte mich mein Bruder Augustin aus meiner Trance. Beleuchtet von dem Kaminfeuer hinter ihm, trat er mir entgegen und setzte meinem monotonen Redefluß ein jähes Ende. »Du kleiner Mistkerl«, sagte er kühl und mit angewidertem Gesicht. »Du hast keine acht Wölfe getötet!«
Kaum hatte er freilich zu Ende gesprochen, da schien er aus irgendeinem Grund zu bemerken, einen Fehler begangen zu haben. Vielleicht war es mein Gesichtsausdruck. Vielleicht war es der wütend gemurmelte Protest meiner Mutter oder der Umstand, daß mein anderer Bruder überhaupt nichts sagte. Wahrscheinlich war es mein Gesicht. Aber was auch immer es gewesen sein mag, fast augenblicklich malte sich schieres Entsetzen auf seinen Zügen.
Er fing an, etwas zu brabbeln wie, das sei ja unglaublich, und ich wäre wohl fast ums Leben gekommen, und ob die Diener mir nicht sofort ein wenig Suppe bringen sollten und so weiter, aber das half nun auch nichts mehr. Was in diesem einzigen Augenblick geschehen war, konnte nicht mehr gekittet werden, und als nächstes erinnere ich mich nur noch, daß ich allein in meinem Zimmer lag. Von Blut und Dreck verkrustet, kroch ich unter die Bettdecke und fiel in einen tiefen Schlaf.
Danach habe ich mein Zimmer tagelang nicht mehr verlassen. Augustin kam und erzählte mir, daß die Dorfbewohner in den Bergen gewesen seien und die Wölfe gefunden und zum Schloß gebracht hätten, aber ich antwortete nichts darauf.
So verging etwa eine Woche. Als ich allmählich wieder den Gedanken ertragen konnte, andere Hunde um mich zu haben, ging ich zum Zwinger hinunter, um mir zwei halb ausgewachsene Welpen zu holen. Sie leisteten mir
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