Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
und dann führten sie eine alte italienische Komödie auf mit Hanswurst und Pulcinella und dem jungen Liebespaar Lelio und Isabella und dem alten Doktor und allen altbekannten Ränken und Intrigen.
Ich war hell begeistert: So etwas hatte ich noch nie gesehen. Das war so bunt und schnell und schlau in Szene gesetzt! Ich war hingerissen, obwohl die Dialoge so schnell abgehaspelt wurden, daß ich kein Wort verstand.
Nach der Aufführung folgte ich den Komödianten in das Dorfwirtshaus und gab für sie alle Wein aus, den ich mir eigentlich gar nicht leisten konnte, nur, um mich mit ihnen unterhalten zu können. Ich war diesen Männern und Frauen aus ganzer Seele zugetan. Sie erklärten mir, wie jeder Schauspieler lebenslang seine Rolle spielte und daß sie keine Texte auswendiglernten, sondern alles auf der Bühne improvisierten. Jeder kannte seinen Namen, seine Rolle und spielte sie so, wie er es für richtig hielt. Darin bestand der Geist dieser Art von Theater. Man nannte das Commedia dell’arte.
Ich war wie verzaubert. Und ich verliebte mich in das junge Mädchen, das die Isabella spielte. Später folgte ich den Gauklern in ihren Planwagen und betrachtete die Kostüme und die bunten Bühnenbilder, und als wir wieder in die Kneipe zurückgekehrt waren und weitertranken, ließen sie mich den Lelio, den jungen Liebhaber Isabellas, vorspielen, und sie applaudierten und sagten, ich hätte Talent und sei auch nicht schlechter als sie selbst.
Zuerst dachte ich, sie wollten mir bloß schmeicheln, aber im Grunde war es mir völlig gleichgültig, ob sie mir nur schmeichelten oder nicht. Und als sie am nächsten Morgen das Dorf verließen, war ich mit von der Partie. Ich lag hinten im Wagen versteckt und hatte meine jämmerlichen Ersparnisse dabei und alle meine Kleider, die ich in eine Decke gehüllt hatte. Ich wollte Schauspieler werden.
Nun soll der Lelio in der alten italienischen Komödie besonders gut aussehen; wie gesagt, er ist der Liebhaberund trägt keine Maske. Wenn er sich außerdem zu benehmen weiß, wenn er gute Manieren und ein würdevoll aristokratisches Auftreten hat, dann um so besser, denn das gehört zu seiner Rolle. Mit einem Wort: Die Truppe war der Überzeugung, daß ich über all dies reichlich verrügte. Sie verlor keine Zeit, mit mir für den nächsten Auftritt zu proben. Und am Tag vor der ersten Aufführung ging ich durch die Stadt - es war unzweifelhaft ein größerer und interessanterer Ort als unser Dorf -, um zusammen mit den anderen die Werbetrommel für unser Stück zu rühren.
Ich schwebte im siebenten Himmel. Und doch waren weder die Reise noch die Vorbereitungen, noch die Kameradschaft, die mich mit meinen Mitspielern verband, so berauschend wie das Hochgefühl, das ich schließlich empfand, als ich endlich oben auf der kleinen Holzbühne stand.
Ich legte mich gewaltig ins Zeug, um Isabella zu erobern, ich sprühte nur so vor Reimen und geistreichen Bemerkungen, wie ich es mir selbst nie zugetraut hätte. Ich konnte hören, wie sich meine Stimme an den steinernen Wänden um mich herum brach, ich badete mich in dem Gelächter des Publikums. Sie mußten mich förmlich von der Bühne prügeln, so sehr war ich in Fahrt, aber alle wußten, daß es ein großer Erfolg gewesen war.
Die Schauspielerin, die meine Geliebte dargestellt hatte, schenkte mir in dieser Nacht nicht nur auf der Bühne ihre Gunst. Ich schlief in ihren Armen ein, und ich erinnere mich noch, wie sie sagte, daß wir in Paris auf dem Jahrmarkt von St.Germain auftreten würden, und dann. würden wir der Truppe den Rücken kehren und in Paris bleiben und uns bis-zur Comédie Francaise hocharbeiten und für Marie Antoinette und König Ludwig spielen.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie verschwunden. Auch die Schauspieler waren fort, doch dafür waren meine Brüder da.
Ich habe nie erfahren, ob meine Freunde bestochen worden waren, mich auszuliefern, oder ob man sie einfach vertrieben hatte. Vermutlich letzteres. Wie auch immer, ich wurde wieder nach Hause gebracht.
Natürlich war meine Familie zutiefst entsetzt über meine neueste
Eskapade. Wenn man mit zwölf Mönch werden wollte, mochte das ja noch durchgehen. Aber dem Theater haftete der Makel des Teufels an. Selbst dem großen Moliere war ein christliches Begräbnis verweigert worden. Und ich war mit einer Truppe zerlumpter italienischer Vagabunden abgehauen, hatte mein Gesicht weiß angemalt, um mit ihnen auf Dorfplätzen für Geld aufzutreten.
Ich bin
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