Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Eiche geheftet waren. Nur das flackernde Licht der Fackel bewegte sich.
Kann er nach Ägypten gehen?
Mael nickte. Und die Tränen stiegen ihm in die Augen, und in seinem blassen Hals schluckte es.
Ja, ich lebe, mein Getreuer, und ich spreche, und du hast deine Aufgabe gut erledigt, und ich werde den neuen Gott erschaffen. Laß ihn eintreten.
Ich war zu verblüfft, um sprechen zu können, außerdem hatte ich ohnehin nichts zu sagen. Alles hatte sich geändert. Alles, woran ich geglaubt, worauf ich mich verlassen hatte, war plötzlich in Frage gestellt. Ich verspürte nicht die geringste Angst, nur lähmendes Erstaunen. Mael nahm mich beim Arm. Die anderen Druiden gesellten sich uns wieder zu, und ich wurde um die Eiche geführt, bis wir hinter ihr vor einem riesigen Steinhaufen standen.
Auch auf dieser Seite des Hains waren geschnitzte Fratzen und ganze Berge von Schädeln, außerdem ein paar bleiche Druiden, die ich noch nicht gesehen hatte. Und diese Männer, einige mit langen, weißen Bärten, näherten sich und fingen an, die Steine fortzuräumen.
Mael und die anderen halfen ihnen dabei, hoben schweigend die großen Felsbrocken und warfen sie beiseite, wobei einige der Steinblöcke so schwer waren, daß drei Männer sie hochwuchten mußten.
Und schließlich kam am Fuß der Eiche eine schwere, mit riesigen Schlössern behangene Eichentür zum Vorschein. Mael zog einen eisernen Schlüssel hervor und sprach keltische Formeln, die die anderen erwiderten. Maels Hand zitterte. Aber bald hatte er alle Schlösser geöffnet, und dann waren vier Druiden vonnöten, um die Tür fortzuziehen. Und dann wurde eine Fackel entzündet und mir überreicht, und Mael sagte:
»Tritt ein, Marius.‹
Wir sahen uns in dem schwankenden Licht an. Er wirkte hilflos, unfähig, sich zu rühren, obwohl ihm das Herz überlief.
Aber aus dem Baum, aus der Finsternis hinter dem Eingang, meldete sich wieder der Stumme:
Fürchte dich nicht, Marius . Ich erwarte dich. Nimm das Licht und kommt zu mir.
7
Nachdem ich durch die Tür getreten war, wurde sie von den Druiden verschlossen. Und ich fand mich am oberen Ende einer langen Steintreppe. Ein Gebilde, das ich in den folgenden Jahrhunderten noch häufig sehen sollte, und du hast es bereits zweimal gesehen und wirst es wieder sehen - die Stufen führten in die Mutter hinunter, in die Kammern, wo sich JENE, DIE DAS BLUT TRINKEN stets verbergen.
Das Wesen, das mich gerufen hatte, war am unteren Ende der Treppe und versicherte mir wieder, daß ich nichts zu fürchten hätte.
Und ich hatte keine Angst. Im Gegenteil, ich war so heiteren Gemüts, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Ich würde nicht so banal sterben, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich ging einem Mysterium entgegen, das unendlich viel interessanter war, als ich jemals gedacht hatte.
Aber als ich unten angekommen war und in der kleinen steinernen Kammer stand, erwartete mich ein derart ekelerregender Anblick, daß mir sterbensübel wurde.
Auf einer Steinbank gegenüber der Treppe saß eine Kreatur, die nur noch geringe Ähnlichkeit mit einem Menschen hatte. Sie war von Kopf bis Fuß schwarz verbrannt, und die verschrumpelte Haut schlotterte um ihr Gebein. Sie glich einem gelbäugigen, mit Pech bestrichenen Skelett, dessen weiße Haarmähne einzig verschont geblieben war. Sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, und ich sah ihre weißen Zähne, ihre Fangzähne, und ich umklammerte meine Fackel und bemühte mich, nicht wie verrückt aufzuschreien.
›Komm mir nicht zu nahe‹, sagte die Kreatur. ›Bleib da, wo ich dich wirklich sehen kann, nicht, wie sie dich sehen, sondern wie meine Augen noch immer zu sehen vermögen. ‹
Ich schluckte, versuchte, meinen Atem unter Kontrolle zu halten. Kein menschliches Wesen hätte solche Verbrennungen überleben können. Aber diese Gestalt war lebendig - nackt und schwarz und eingeschrumpft. Sie erhob sich und ging langsam durch die Kammer. Sie zeigte mit dem Finger auf mich, und ihre Augen weiteten sich ein wenig, wobei sie in dem Licht eine blutrote Färbung verrieten. ›Was willst du von mir?‹ flüsterte ich. »Warum wurde ich hierhergebracht? ‹ ›Unheil‹, sagte er mit aufrichtigem Gefühl - seine Stimme hatte nicht den krächzenden Klang, den ich erwartet hatte. ›Ich werde dir meine Macht schenken. Marius, ich werde aus dir einen Gott machen, und du wirst unsterblich sein. Aber wenn es vollbracht ist, mußt du von hier fortgehen.
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