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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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warum sie den tödlichen Flammen ausgeliefert waren und auf welche Weise Die Mutter und Der Vater an die Sonne gelangten.‹
    Er schwieg. Er wartete auf meine Reaktion. Es war jetzt völlig still in der Bibliothek, und ob die anderen noch hinter den Wänden herumschlichen, war nicht zu hören.
    ›Ich glaube kein einziges Wort‹, sagte ich.
    Einen Augenblick lang starrte er mich bestürzt an, und dann lachte er aus vollem Hals. Lachte und lachte. Ich aber lief wutentbrannt aus der Bibliothek und durch den Tempel und den Tunnel nach oben auf die Straße.

11
    Es war sonst gar nicht meine An, wütend wegzulaufen, plötzlich aufzubrechen und mich davonzumachen. Als Sterblicher hatte ich so etwas nie getan. Aber wie ich schon sagte, ich war dem Wahnsinn nahe, wie so viele von uns, vor allem jene, die gewaltsam in diese Sache hineingezogen worden waren.
    Ich ging zu meinem kleinen Haus in der Nähe der großen Bibliothek von Alexandrien zurück und legte mich auf mein Bett, als hätte ich jetzt einfach schlafen gehen und die ganze Sache vergessen können.
    ›Verdammter Mist‹, murmelte ich.
    Aber je mehr ich über die ganze Geschichte nachdachte, desto einleuchtender kam sie mir vor. Es ergab einen Sinn, daß in meinem Blut irgend etwas war, das mich dazu zwang, immer mehr Blut zu trinken. Es ergab einen Sinn, daß dadurch alle Sinne geschärft wurden, daß das Blut meinen Körper - der jetzt nur noch die Imitation eines menschlichen Körpers war- in Gang hielt, obwohl er doch gar nicht mehr hätte funktionieren dürfen. Und es ergab einen Sinn, daß dieses Wesen zwar keinen eigenen Geist besaß, aber trotzdem eine Macht darstellte, eine organisierte Kraft, mit dem Wunsch, aus sich selbst heraus zu leben.
    Und dann ergab es sogar einen Sinn, daß wir alle an Die Mutter und Den Vater angeschlossen sein konnten, weil dieses Wesen geistiger Art war und keine körperlichen Grenzen besaß, außer den individuellen Grenzen der einzelnen Körper, in denen es die Kontrolle übernommen hatte. Dieses Wesen war der Rebstock, und wir waren die Reben, über große Entfernungen verstreut, aber durch die verflochtenen Ranken, die über die ganze Welt reichten, miteinander verbunden.
    Das war auch der Grund, warum wir Götter einander so gut hören konnten, warum ich wissen konnte, daß die anderen in Alexandrien waren, noch bevor sie mich riefen. Das war der Grund, warum sie kommen und mich in meinem Haus finden konnten, warum sie mich zu der Geheimtür zu rühren vermochten.
    Na, schön. Vielleicht stimmte es. Vielleicht war alles wirklich nur ein Zufall, diese Verschmelzung einer namenlosen Kraft mit einem menschlichen Körper und Geist, um das Neue Wesen zu schaffen, wie der Älteste gesagt hatte.
    Trotzdem - es gefiel mir nicht. Ich lehnte mich dagegen auf, denn wenn ich überhaupt etwas war, dann war ich ein Individuum, ein ureigenes Wesen, mit einem ausgeprägten Gefühl für meine eigenen Rechte und Vorrechte. Mir war nicht bewußt, daß ich ein fremdes Gebilde in mir beherbergte. Ich war immer noch Marius, ganz gleich, was mit mir geschehen war.
    Am Ende hatte ich nur noch einen einzigen Gedanken: Wenn ich an Diese Mutter und Diesen Vater angeschlossen war, dann mußte ich sie sehen und wissen, daß sie in Sicherheit waren. Ich konnte nicht mit dem Gedanken leben, daß ich jeden Augenblick durch irgendeine Alchimie, die ich weder kontrollierte noch verstand, sterben würde.
    Aber in den unterirdischen Tempel bin ich nicht mehr gegangen. In den darauffolgenden Nächten schwelgte ich im Blut, bis meine trübsinnigen Gedanken darin ertranken, und dann, in den frühen Stunden, durchstreifte ich die große Bibliothek Alexandriens und las, wie ich es immer getan hatte.
    Das Gefühl von Wahnsinn in mir verflüchtigte sich ein wenig. Ich gab es auf, mich nach meiner sterblichen Familie zu sehnen. Ich gab es auf, mich über dieses verfluchte Wesen in dem Kellertempel zu argem, und ich dachte statt dessen an die neue Stärke, die ich besaß. Ich würde viele Jahrhunderte lang leben: Ich würde die Antwort auf alle möglichen Fragen kennen. Ich würde, im Laufe der Zeit, das anhaltende Bewußtsein der Dinge sein! Und solange ich nur die Bösewichte tötete, konnte ich meinen Durst nach Blut stillen, sogar richtiggehend schwelgen. Und wenn die Zeit reif wäre, würde ich mir Gefährten machen, und ich würde sie gut machen.
    Was blieb also zu tun? Wieder zu dem Ältesten zu gehen und herauszufinden, wo er Die Mutter und Den Vater

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