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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Bilderschrift gekannt hatte und die Pyramiden und die Legenden von Osiris und Isis, als Griechenland noch im Dunkeln lag und Rom noch gar nicht existierte. Ich sah, wie der Nil über seine Ufer trat. Ich sah die Berge auf beiden Seiten, die das Tal bildeten. Ich sah die Zeit in einem völlig neuen Licht. Aber das war nicht nur der Traum des Verbrannten - es war alles, was ich in Ägypten je gesehen oder erfahren hatte, das Gefühl, daß die Dinge dort ihren Anfang genommen hatten, was ich schon aus den Büchern wußte, die ich gelesen hatte, lange bevor ich das Kind von Der Mutter und Dem Vater geworden war, die ich jetzt wegbringen wollte von hier.
    ›Wie kommst du darauf, daß wir sie dir anvertrauen würden?‹ fragte der Älteste, sobald er durch die Tür kam.
    Er wirkte riesig, als er, nur mit einem kurzen Leinenrock, im Zimmer herumging. Der Schein der Lampe fiel auf seinen kahlen Kopf, sein rundes Gesicht, seine vorstehenden Augen. ›Wie kannst du es wagen, Die Mutter und Den Vater fortzuschaffen! Was hast du mit ihnen getan?‹ fragte er.
    ›Du warst es, der sie an die Sonne gebracht hat‹, erwiderte ich. ›Du warst es, der sie vernichten wollte. Du warst es, der die alte Geschichte nicht geglaubt hat. Du warst ihr Wächter, der Wächter Der Mutter und Des Vaters, und du hast mich angelogen. Du hast vom einen Ende der Welt bis zum anderen den Tod unserer Artgenossen herbeigeführt. Du warst es. Und du hast mich angelogen.‹
    Er war verblüfft. Er fand, daß ich überheblich und absolut unmöglich war. Das fand ich auch. Na und? Er besaß die Macht, mich zu Asche zu machen, falls er Die Mutter und Den Vater verbrannte. Aber sie war zu mir gekommen! Zu mir!
    ›Ich wußte nicht, was passieren würde!‹ sagte er jetzt, und an seiner Stirn traten die Adern hervor, und er hatte die Fäuste geballt. Er sah wie ein großer glatzköpfiger Nubier aus, als er mich einzuschüchtern versuchte. ›Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, daß ich es nicht gewußt habe. Aber du kannst dir ja gar nicht vorstellen, was es heißt, sie zu bewahren, Jahr für Jahr, Jahrzehnte, Jahrhunderte für sie zu sorgen und zu wissen, daß sie sprechen könnten, daß sie sich bewegen könnten, aber sie tun es nicht.‹
    Ich konnte für ihn und was er sagte, kein Mitgefühl empfinden. Für mich war er nichts anderes als eine zweideutige Figur, die sich in diesem kleinen Zimmer in Alexandrien vor mir aufgebaut hatte, um mich zu beschimpfen und von Leiden zu reden, die jenseits aller Vorstellungskraft lagen. Warum sollte ich ihn bedauern?
    ›Ich habe sie geerbt‹, sagte er. ›Sie wurden mir übergeben! Was hätte ich tun sollen?‹ erklärte er. ›Ich mußte ja ihr Schweigen ertragen, mit dem sie mich bestraften, ihre Weigerung, ihr Volk anzuführen, das sie auf die Welt losgelassen hatten. Und warum dieses Schweigen? Nichts als Rache, sage ich dir. Vergeltung. Aber wofür? Wer kann sich denn heute noch daran erinnern, was vor tausend Jahren war? Niemand. Wer versteht schon all diese Dinge? Die alten Götter gehen in die Sonne, ins Feuer, oder sie werden gewaltsam umgebracht, oder sie vergraben sich tief unter der Erde, um niemals wieder herauszukommen. Nur Die Mutter und Der Vater leben ewig weiter, aber sie wollen nicht reden. Warum vergraben sie sich nicht irgendwo, wo ihnen nichts widerfahren kann? Warum sind sie noch immer da und beobachten alles und lauschen, und weigern sich doch zu reden? Nur wenn man Akascha von Enkil zu trennen versucht, bewegt er sich, holt aus und schlägt seine Feinde zu Boden, wie ein Koloß aus Stein, der zum Leben erwacht ist, Ich will dir mal was sagen: Als ich sie damals in den Sand gestellt habe, haben sie nicht einmal den Versuch unternommen, sich zu retten! Sie standen nur da und sahen zum Fluß, als ich weggelaufen bin!‹
    ›Du hast es getan, um zu sehen, was passieren würde, wenn sie sich bewegen müßten!‹
    ›Um mich zu befreien! Um zu sagen: Ich werde mich nun nicht mehr um euch kümmern. Bewegt euch. Redet! Um zu sehen, ob diese alte Geschichte auf Wahrheit beruhte, und wenn ja, dann sollten wir eben alle in den Flammen sterben.‹
    Er hatte sich völlig verausgabt. Schließlich sagte er mit schwacher Stimme: ›Du kannst Die Mutter und Den Vater nicht mitnehmen. Wie konntest du glauben, daß ich das zulassen würde! Du, der du vielleicht nicht einmal das Ende des Jahrhunderts erlebst, du, der du dich deinen Verpflichtungen im Hain entzogen hast. Du hast doch überhaupt keine

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