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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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geschüttelt, fuhr er seine Fangzähne aus wie eine Kobra und stürzte sich mit ausgestreckten schwarzen Klauen auf Enkils Hals. Enkil aber hob den Arm, genauso wie der Älteste es vorausgesagt hatte, und schleuderte den Verbrannten quer durch die Kammer, daß er auf dem Rücken landete, noch bevor Enkils Arm wieder in seiner alten Stellung war. Der Verbrannte schluchzte, und ich schämte mich noch mehr.
    Und dieser düstere Ort mit dem sandigen Boden, die Leere und Armut, der Gestank der Fackel und der häßliche Anblick des Verbrannten, der sich weinend am Boden wälzte, all das war so unglaublich niederdrückend, daß ich es fast nicht mehr ertragen konnte.
    ›Dann trink eben von min, sagte ich und erschauderte, als sich die Fangzähne wieder streckten und seine Hände nach mir griffen. Aber das war das mindeste, was ich tun konnte.

12
    Sobald ich fertig war mit dieser Kreatur, befahl ich ihr, niemanden in die Gruft zu lassen. Wie sie das schaffen sollte, war mir zwar selbst nicht klar, aber trotzdem erteilte ich ihr diesen Auftrag mit großem Nachdruck, bevor ich mich eilig auf den Weg machte.
    Ich kehrte nach Alexandrien zurück, brach dort in ein Geschäft ein, das mit Antiquitäten handelte, und stahl zwei buntbemalte und goldbeschlagene Mumienkästen sowie einen ganzen Stoß Leinen zum Einwickeln, und brachte das alles zu der Gruft in der Wüste.
    Mein Mut, aber auch meine Angst waren auf ihrem Höhepunkt angelangt. Wie es häufig vorkommt, wenn wir einem unserer Artgenossen Blut geben oder welches von ihm bekommen, hatte ich einige Dinge gesehen, geträumt, als der Verbrannte seine Zähne in meine Kehle geschlagen hatte. Und was ich gesehen und geträumt hatte, hatte mit Ägypten zu tun, mit dem Alter Ägyptens und mit der Tatsache, daß sich in diesem Land seit viertausend Jahren Sprache, Religion und Kunst fast nicht verändert hatten. Und zum erstenmal konnte ich das verstehen, und ich verspürte eine tiefe Zuneigung zu Der Mutter und Dem Vater: als Relikten dieses Landes, so sicher wie die Pyramiden Relikte waren.
    Aber um ehrlich zu sein: Ich hätte Die Mutter und Den Vater auch gestohlen, nur um überleben zu können.
    Von dieser neuen Erkenntnis, dieser neuen Leidenschaft, wurde ich getrieben, als ich mich Akascha und Enkil näherte, um sie in die hölzernen Mumienkästen zu stecken, sehr wohl wissend, daß Akascha es zulassen würde und daß mir nur ein einziger Schlag von Enkil den Schädel zertrümmern könnte.
    Aber Enkil ließ mich genauso gewähren wie Akascha. Sie ließen es zu, daß ich sie in Leinentücher wickelte, um sie zu Mumien zu machen, und in die wohlgeformten Holzsärge legte, auf denen die Gesichter von anderen Toten abgebildet waren und Hieroglyphen mit endlosen Anweisungen für sie, und sie dann nach Alexandrien brachte.
    Den Verbrannten aber ließ ich in einem Zustand höchster Erregung zurück, als ich, unter jedem Arm einen Mumienkasten, endlich loszog.
    Als ich in die Stadt kam, dingte ich mir ein paar Männer, die die Särge auf eine angemessene Art und Weise in mein Haus schafften, wo ich sie dann im Garten, tief unter der Erde, vergrub, nicht ohne Akascha und Enkil mit lauten Worten versichert zu haben, daß ihr Aufenthalt dort nicht von langer Dauer sein würde.
    In der darauffolgenden Nacht hatte ich schreckliche Angst, sie allein zu lassen. Ich jagte und tötete nur wenige Meter von meinem eigenen Gartentor entfernt, und danach schickte ich meine Sklaven los, um Pferde und einen Wagen zu kaufen und um alle Vorbereitungen für eine Reise entlang der Küste bis nach Antiochia am Orontes zu treffen, eine Stadt, die ich kannte und liebte und in der ich mich, wie ich glaubte, sicher fühlen konnte.
    Wie ich befürchtet hatte, dauerte es nicht lange, bis der Älteste auftauchte. Ich erwartete ihn schon in meinem düsteren Schlafzimmer, saß wie ein Römer auf meiner Liegestatt, mit einer Lampe neben mir und einer alten Kopie irgendeines römischen Gedichts in der Hand. Ich überlegte, ob er den Platz, an dem sich Akascha und Enkil befanden, fühlen könnte, und stellte mir in Gedanken absichtlich falsche Dinge vor: Daß ich sie in der großen Pyramide eigenhändig eingeschlossen hätte.
    Ich träumte noch immer den Traum von Ägypten, wie ich ihn von dem Verbrannten übernommen hatte: als einem Land, in dem die Gesetze und der Glaube über einen längeren Zeitraum unverändert erhalten geblieben waren, als wir uns überhaupt vorstellen konnten, als einem Land, das schon die

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