Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Intelligenz, nach der ich mich so viele Jahre gesehnt habe, als ich noch lebte, und ich liebe, wie seit eh und je, die großen Fortschritte der Menschheit. Ich will wissen, was passiert, nachdem die Welt nun wieder einmal damit begonnen hat, ihre Götter in Frage zu stellen. Nichts könnte mich dazu bewegen, jetzt die Augen zu schließen.«
Ich nickte zustimmend.
»Aber ich erleide nicht, was du erleidest«, sagte er. »Schon damals, in dem Hain in Nordfrankreich, als ich zu dem gemacht wurde, was ich jetzt bin, war ich nicht mehr jung. Seither habe ich mich einsam gefühlt, ich stand am Rande des Wahnsinns, ich habe unbeschreibliche Qualen gelitten, aber ich war niemals unsterblich und jung. Ich habe unzählige Male getan, was dir noch bevorsteht - das, was dich schon sehr sehr bald von mir wegbringen wird.«
»Wegbringen? Aber ich will nicht -«
»Du mußt weg, Lestat«, sagte er. »Und zwar schon sehr bald, das hab ich dir doch schon gesagt. Du bist noch nicht so weit, um hier bei mir zu bleiben. Das ist eins von den wichtigsten Dingen, die ich dir noch sagen muß, und du mußt genauso aufmerksam zuhören, wie du bei all den anderen Geschichten zugehört hast.«
»Aber Marius, ich kann jetzt nicht weg. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ich kann mir nicht einmal…« Plötzlich war ich sehr wütend. Warum hatte er mich überhaupt hierhergebracht, wenn er mich doch nur ausschließen wollte? Und mir fielen Armands Worte wieder ein. Nur mit den Alten können wir uns vereinen, nicht mit denen, die wir geschaffen haben. Und ich hatte Marius gefunden. Aber das waren nur Worte. Sie trafen auch nicht annähernd, was ich fühlte, diese plötzliche Trauer und Angst vor der Trennung.
»Hör mir zu«, sagte er. »Bis ich von den Galliern entführt wurde, hatte ich ein gutes Leben, und ich war damals schon in einem Alter, in dem viele Menschen in jenen Tagen bereits wieder starben. Und nachdem ich JENE, DIE BEWAHRT WERDEN MÜSSEN aus Ägypten fortgebracht hatte, führte ich in Antiochia wieder viele Jahre das Leben eines reichen römischen Gelehrten. Ich hatte ein Haus, Sklaven und Pandoras Liebe. In Antiochia hatten wir Leben, und wir beobachteten alles, was vor sich ging. Und erst nach diesem Leben hatte ich später die Kraft für andere Leben. Ich hatte die Kraft, in Venedig, wie du ja weißt, zu einem Teil der Welt zu werden. Ich hatte die Kraft, auf dieser Insel zu herrschen, so wie ich es tue. Wie so viele, die schon frühzeitig ins Feuer oder in die Sonne gehen, hast du noch kein richtiges Leben gelebt.
Als du jung warst, hast du gerade sechs Monate lang in Paris das wahre Leben gekostet. Als Vampir bist du von einem Ort zum anderen gezogen, ein Außenseiter, der sich Häuser und anderer Leben bemächtigte.
Wenn du überleben willst, mußt du, sobald wie möglich, ein ganzes Leben zu Ende leben. Wenn du es hinausschiebst, könntest du alles verlieren, so daß du verzweifelst und wieder zurück unter die Erde gehst, um niemals wieder aufzustehen. Oder, noch schlimmer…«
»Das will ich ja. Ich weiß genau, was du meinst«, sagte ich. »Aber als sie mir in Paris angeboten haben, am Theater zu bleiben, konnte ich es nicht tun.«
»Das war nicht der richtige Ort für dich. Außerdem ist das Theater der Vampire genausowenig die reale Welt wie diese Insel hier, meine Zufluchtsstätte, die reale Welt ist. Und dann hast du dort auch zu viele schreckliche Dinge erlebt.
Aber in dieser wilden Neuen Welt, zu der du dich aufgemacht hast, in dieser barbarischen kleinen Stadt namens New Orleans, wirst du vielleicht an der Welt teilhaben, wie du es noch nie zuvor getan hast. Du kannst dort wohnen wie ein richtiger Sterblicher, wie du es auf deinen Wanderungen mit Gabrielle schon so oft versucht hast. Es wird dort keinen alten Bund geben, der dich stört, keine Schurken, die dich aus Angst niederzuschlagen versuchen. Und wenn du andere machst - und das wirst du bestimmt, weil du dich einsam fühlen wirst -, dann mach sie und laß sie so menschlich leben, wie es nur geht. Versammle sie um dich, wie Mitglieder einer Familie, nicht wie Mitglieder eines Ordens, und bemühe dich, die Zeit, in der du lebst, zu begreifen, die vielen Jahre, die vorübergehen werden. Du mußt dich mit dem Stil der Kleider auskennen, die deinen Körper schmücken, dem Stil der Häuser, in denen du deine Mußestunden verbringst, dem Ort, an dem du jagst. Du mußt begreifen lernen, was es bedeutet, das Vergehen der Zeit zu fühlen!«
»Ja, und
Weitere Kostenlose Bücher