Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
und menschlicher Kampf und menschlicher Tod.
    Und ohne Widerspruch watete ich durch das flache Wasser zum Boot.
    Am frühen Morgen sah ich mich in einem kleinen Metallspiegel, der in der dreckigen Absteige von Seeleuten in einem kleinen Gasthaus an der Wand hing. Ich sah mich in meinem Umhang aus Brokat und Seide, und mit weißer Spitze besetzt, und mein Gesicht noch wann vom Töten, und hinter mir, quer über dem Tisch, der tote Seemann. Er hielt noch immer das Messer, mit dem er versucht hatte, mir die Kehle durchzuschneiden. Und da stand auch noch die Weinflasche mit dem Betäubungstrunk, den ich, mit spielerischen Protesten, zurückgewiesen hatte, bis er die Geduld verlor und sich entschloß, bis zum äußersten zu gehen. Sein Kumpel lag tot auf dem Bett.
    Ich betrachtete den jungen blondhaarigen Lebemann im Spiegel.
     
    »Also wenn das nicht der Vampir Lestat ist«, sagte ich.
     
    Aber alles Blut dieser Welt hätte das Entsetzen nicht aufhalten können, das mich überfiel, als ich zu meiner Ruhestätte ging.
    Ich konnte nicht damit aufhören, an sie zu denken, mich zu fragen, ob es ihr Lachen gewesen war, das ich in der vergangenen Nacht im Schlaf gehört hatte. Und ich war verwundert, daß sie mir in dem Blut nichts mitgeteilt hatte, bis ich die Augen schloß und ganz plötzlich wieder alles vor mir sah, wunderbare Dinge, natürlich, und alles so zusammenhanglos, weil es so märchenhaft war. Wir gingen zusammen durch einen Korridor, sie und ich - nicht hier, sondern an einem Ort, den ich kannte. Ich glaube, es war ein Palast in Deutschland, in dem Haydn seine Musik schrieb - und sie redete ganz zwanglos mit mir - wie schon so oft. Du mußt mir alles genau erzählen - was glauben die Leute, was treibt sie voran, was sind das für wunderbare Erfindungen… Sie trug einen modischen schwarzen Hut mit einer großen weißen Feder in dem breiten Rand und einem weißen Schleier, der oben auf dem Hut und unter ihrem Kinn befestigt war, und ihr Gesicht war noch nicht fertig, war nur jung.
    Als ich die Augen aufschlug, wußte ich, daß Marius auf mich wartete. Ich stand auf und ging in die Kammer, und da stand er, mit dem Rücken zum offenen Fenster über dem Meer, neben dem leeren Geigenkasten.
    »Du mußt jetzt gehen, mein Kleiner«, sagte er traurig. »Ich hatte gehofft, daß uns noch ein bißchen mehr Zeit bliebe, aber leider ist das unmöglich. Das Boot wartet schon, um dich wegzubringen von hier.«
    »Wegen dem, was ich getan habe…«, sagte ich betrübt. Ich wurde also ausgeschlossen.
    »Er hat die ganze Kapelle zerstört«, sagte Marius, aber seine Stimme bat mich, ruhig zu bleiben. Er legte den Arm um meine Schulter und nahm meine Reisetasche. Wir gingen zur Tür. »Ich möchte, daß du jetzt gehst, weil es das einzige ist, das ihn beruhigen wird, und ich möchte, daß du dich nicht nur an seinen Zorn erinnerst, sondern an alles, was ich dir erzählt habe, und du sollst darauf vertrauen, daß wir uns wiedersehen, wie wir es besprochen haben.«
    »Aber hast du denn Angst vor ihm, Marius?«
    »O nein, Lestat. Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. So etwas hat er schon öfter getan, immer mal wieder. Ich glaube, er weiß gar nicht, was er tut. Davon bin ich überzeugt. Er weiß nur, daß sich jemand zwischen ihn und Akascha gestellt hat. Er braucht nur ein bißchen Zeit, um sich wieder zu fangen.«
    »Und sie sitzt da, als hätte sie sich nie bewegt, nicht wahr?« fragte ich.
    »Ich möchte, daß du jetzt gehst, um ihn nicht noch mehr zu provozieren«, sagte Marius und führte mich aus dem Haus und zu den Stufen in der Klippe, während er weitersprach.
    »Unsere Fähigkeit, mit unseren geistigen Kräften Gegenstände zu bewegen, sie anzuzünden, wirklichen Schaden zuzufügen, reicht nicht sehr weit über den physischen Ort hinaus, an dem wir uns befinden. Deshalb möchte ich, daß du heute abend von hier fortgehst und dich auf den Weg nach Amerika machst. Damit du um so schneller zu mir zurückkommen kannst, wenn er sich beruhigt hat und sich nicht mehr daran erinnert. Aber ich werde nichts vergessen und auf dich warten.«
    Als wir an den Rand der Klippe traten, sah ich unten im Hafen die Galeere. Die Stufen sahen unmöglich aus, aber sie waren nicht unmöglich. Unmöglich war nur, daß ich Marius und diese Insel jetzt hinter mir zurückließ.
    »Du brauchst nicht mit nach unten zu kommen«, sagte ich und nahm ihm die Reisetasche aus der Hand. Ich gab mir Mühe, meine Verbitterung und

Weitere Kostenlose Bücher