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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Niedergeschlagenheit zu verbergen. Schließlich hatte ich mir das alles selbst zuzuschreiben. »Ich mag es nicht, wenn man mich weinen sieht. Laß mich allein gehen.«
    »Ich wünschte, wir hätten noch ein paar Nächte für uns gehabt«, sagte er, »um gemeinsam in aller Ruhe darüber nachzudenken, was geschehen ist. Aber meine Liebe wird dich begleiten. Und denk an das, was ich dir alles erzählt habe. Wenn wir uns wiedersehen, werden wir uns viel zu berichten haben -« Er unterbrach sich, als wäre ihm etwas eingefallen.
    »Was hast du, Marius?«
    »Sag mir die Wahrheit«, bat er. »Tut es dir leid, daß ich dich in Kairo geholt habe, tut es dir leid, daß ich dich hierhergebracht habe?«
    »Aber warum denn?« fragte ich. »Mir tut nur leid, daß ich weg muß. Wenn ich dich nun nicht wiederfinde, oder wenn du mich nicht findest?«
    »Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich dich finden«, sagte er. »Und vergiß nicht: Du kannst mich immer rufen, wie du es früher getan hast. Wenn ich deinen Ruf höre, kann ich jede Entfernung, die ich niemals allein überbrücken könnte, überbrücken, um dir zu antworten. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich antworten.
    Darauf kannst du dich verlassen.«
    Ich nickte. Es gab noch so viel zu sagen, aber ich brachte kein Wort über die Lippen.
    Wir umarmten uns lange, und dann drehte ich mich um und ging die Stufen hinunter, und ich wußte, daß er verstand, warum ich mich nicht mehr nach ihm umsah.

17
    Ich wußte nicht, wie sehr ich mich nach »der Welt« sehnte, bis mein Schiff endlich durch den dunstigen Bayou St. Jean nach New Orleans hinauffuhr und ich vor dem hellen Himmel die schwarzer ausgezackten Konturen der Sümpfe liegen sah. Die Tatsache, daß keiner von unserer Art je diese Wildnis durchdrungen hatte, versetzte mich in einen Zustand der Erregung, aber auch der Demut.
    Noch bevor an diesem ersten Morgen die Sonne aufgegangen war hatte ich mich in dieses flache und feuchte Land verliebt, so wie ii die trockene Hitze Ägyptens, und mit der Zeit begann ich es mehr zu lieben als jeden anderen Fleck auf der Erdkugel.
    Hier waren die Gerüche so stark ausgeprägt, daß man das roh Grün der Blätter wie auch die rosafarbenen und gelben Blüten de Pflanzen riechen konnte. Und neben dem breiten braunen Strom der an dem tristen kleinen Place d’Armes vorbeifloß, mußte jede andere sagenumwobene Fluß, den ich je gesehen hatte, verblasset
    Unbeachtet und unbehelligt erforschte ich die verfallene klein Kolonie mit ihren schlammigen Straßen und den Gehwegen aus Schiffsplanken und den schmutzigen spanischen Soldaten, die bei den Gefängnissen herumlungerten. Ich verlor mich in den gefährlichen Hütten neben dem Wasser, zwischen Glücksspielern und grölenden Matrosen von den Flachbooten und den hübschen dunkelhäutigen karibischen Frauen, um dann wieder draußen herumzuwandern, um die stummen Blitze am Himmel zu sehen, das ferne Donnergrollen zu hören, die seidige Wärme des Sommerregens auf der Haut zu fühlen.
    Die tief herabhängenden Dächer der kleinen Häuser glitzerten im Mondschein. Über die Eisentore der feinen spanischen Stadthäuser zuckten Lichter. Sie flackerten hinter den Spitzenvorhängen an blankgeputzten Glastüren. Ich wanderte zwischen den kleinen Bungalows umher, die sich bis zu den Schutzwällen hinzogen, spähte durch Fenster auf glattpolierte Möbel und andere glitzernde Gegenstände von Reichtum und Zivilisation, die an diesem barbarischen Ort unbezahlbar und wählerisch und auch traurig wirkten.
    Hin und wieder tauchte in diesem Schlamm eine Vision auf: ein echter französischer Gentilhomme, in eine schneeweiße Perücke und einen modischen Gehrock verpackt, und seine Frau in eine Krinoline, mit einem schwarzen Sklaven, der den beiden durch den dicken Morast saubere Schuhe hinterherträgt.
    Ich wußte, daß ich am gottverlassensten Außenposten des Wilden Gartens angekommen war und daß dies mein Land war und daß ich in New Orleans bleiben würde, falls es New Orleans gelingen sollte, selbst zu bleiben. All die Qualen, denen ich ausgesetzt war, würden an diesem gesetzlosen Ort geringer sein, und was immer ich mir ersehnte, würde mir an diesem Ort noch größeren Genuß bereiten.
    Und es gab in jener ersten Nacht in diesem übelriechenden Paradies Augenblicke, in denen ich darum betete, trotz all meiner geheimen Kräfte, die ich besaß, auf irgendeine Weise mit allen sterblichen Menschen verbunden zu sein. Vielleicht war ich gar nicht der exotische

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