Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
Außenseiter, für den ich mich hielt, sondern nur eine Erweiterung jeder menschlichen Seele.
Alte Wahrheiten und uralte Zauberformeln, Revolutionen und Erfindungen, sie alle haben nur das eine im Sinn: uns von der Leidenschaft abzubringen, die einen jeden von uns so oder so besiegt.
Und nachdem wir schließlich all der Komplikationen müde sind, träumen wir von jenen lang vergangenen Tagen, als wir noch auf dem Schoß unserer Mutter saßen und jeder Kuß die Erfüllung all unserer Wünsche war. Was können wir anderes tun, als die Arme ausstrecken nach der Umarmung, die nunmehr Himmel und Hölle miteinschließt und in der sich unser Schicksal wieder und wieder und immer wieder erfüllt.
Epilog
Gespräch mit dem Vampir
1
Und so bin ich zum Ende der Geschichte von den Lehrjahren und Abenteuern des Vampirs Lestat gekommen, die ich habe erzählen wollen. Es ist der Bericht über die Magie und die Geheimnisse der Alten Welt, die ich, entgegen allen Verboten und Verfügungen, an Sie weitergegeben habe.
Aber meine Geschichte ist noch nicht zu Ende, auch wenn ich vielleicht zögere fortzufahren. Dazu muß ich, zumindest kurz, auf die schmerzhaften Ereignisse eingehen, die 1929 zu meiner Entscheidung geführt haben, mich unter die Erde zurückzuziehen.
Das war einhundertundvierzig Jahre, nachdem ich Marius’ Insel verlassen hatte. Und seither habe ich Marius nie wieder zu Gesicht bekommen. Auch Gabrielle blieb für immer verloren. Sie war in jener Nacht in Kairo verschwunden, und soviel ich wußte, hatte niemand, ob sterblich oder unsterblich, von ihr je wieder etwas gehört noch gesehen.
Und als ich mir im zwanzigsten Jahrhundert mein Grab bereitete, war ich müde und erschöpft und allein und krank an Körper und Seele.
Ich hatte »ein Leben« ausgelebt, wie Marius es mir geraten hatte. Aber ich konnte Marius keine Schuld daran geben, wie ich es gelebt hatte, oder für die schrecklichen Fehler, die ich begangen hatte.
Mein unbeugsamer Wille ist für meine Erfahrungen ausschlaggebender gewesen als jede andere menschliche Eigenschaft. Und ungeachtet aller guten Ratschläge und schlimmer Prophezeiungen habe ich es wie eh und je verstanden, Tragödien und Unheil heraufzubeschwören, Aber ich wurde auch belohnt. Das kann ich nicht leugnen. Fast siebzig Jahre lang hatte ich meine Sprößlinge, die Vampire Louis und Claudia, zwei der wunderbarsten Unsterblichen, die es je auf dieser Erde gegeben hat, und ich hatte sie ganz nach meinem Geschmack.
Kurz nachdem ich in die Kolonie gekommen war, verliebte ich mich bis über beide Ohren in Louis, einen jungen dunkelhaarigen Plantagenbesitzer mit eleganten Umgangsformen und gewählter Sprache, dessen Zynismus und Selbstzerstörungstrieb dem von Nicolas in nichts nachstand.
Er besaß die gleiche grimmige Entschlossenheit wie Nicki und auch dessen rebellische Art, seine quälende Eigenschaft, zu glauben und nicht zu glauben und am Ende zu verzweifeln.
Aber Louis gewann mehr Macht über mich, als Nicolas je gehabt hatte. Selbst wenn er noch so grausam war, rührte er an meine zärtlichsten Gefühle, verführte mich durch seine völlige Abhängigkeit, seine Bewunderung für jede meiner Bewegungen, für jedes meiner Worte.
Seine Naivität war überwältigend, genauso wie sein seltsamer bürgerlicher Glaube, daß Gott auch dann noch Gott war, wenn er sich von uns abwandte, und daß Erlösung und Verdammung die Endpunkte einer kleinen hoffnungslosen Welt markierten.
Louis war ein Leidender, und er liebte die Sterblichen sogar noch mehr, als ich es tat. Und manchmal frage ich mich, ob ich Louis nicht als Strafe für das ansah, was ich Nicki angetan hatte, ob ich Louis nicht dazu geschaffen hatte, mein Gewissen zu sein, und um jahraus, jahrein die Strafe, die ich, wie ich glaubte, verdiente, aufzuerlegen.
Aber ich liebte ihn, schlicht und einfach. Ich behielt ihn aus Verzweiflung bei mir und band ihn in den heikelsten Augenblicken nur noch enger an mich und vollzog so die egoistischste und impulsivste Handlung meines Lebens unter den lebenden Toten. Es war das Verbrechen, das mein Verderben sein sollte: die Erschaffung Claudias, eines atemberaubend schönen Vampirkinds, mit Louis und für Louis.
Ihr Körper war noch keine sechs Jahre alt, als ich sie nahm, und obgleich sie gestorben wäre, wenn ich es nicht getan hätte (genauso wie Louis gestorben wäre, wenn ich ihn nicht genommen hätte), war es eine Herausforderung an die Götter, für die Claudia und ich zu
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