Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis
göttlichen Sichtbarkeit. Ich sehne mich nach dem Krieg.«
»Nach dem neuen Bösen, um deine alten Worte zu gebrauchen«, sagte er. »Und diesmal ist es das Böse des zwanzigsten Jahrhunderts.«
»Genau«, sagte ich. Aber wieder dachte ich dabei an den rein sterblichen Drang, den eitlen Drang nach weltlichem Ruhm, nach Anerkennung. Leichte Schamröte. Es würde ein wahrer Genuß sein.
»Aber warum, Lestat?« fragte er ein wenig mißtrauisch. »Warum die Gefahr, das Risiko? Schließlich hast du’s doch geschafft. Du bist zurückgekommen. Du bist stärker denn je. In dir brennt das alte Feuer, als wäre es nie verlorengegangen, und du weißt, wie kostbar das ist, es wird einfach so weitergehen. Warum es sofort aufs Spiel setzen? Hast du denn vergessen, wie es war, als wir mitten im Leben standen, und um uns herum die ganze Welt, und als uns niemand etwas anhaben konnte außer wir selbst?«
»Ist das ein Antrag, Louis? Bist du zu mir zurückgekommen, wie es unter Liebenden heißt?«
Seine Augen wurden dunkel, und er wandte den Blick von mir ab.
»Ich mache mich nicht über dich lustig, Louis«, sagte ich.
»Du bist zu mir zurückgekommen, Lestat«, sagte er schließlich mit ruhiger Stimme und sah mich wieder an. »Als ich sie in Dracula’s Daughter das erstemal von dir reden hörte, fühlte ich etwas, das ich für immer verloren zu haben glaubte - «
Er hielt inne. Aber ich wußte, wovon er sprach. Er hatte es bereits gesagt. Und ich hatte es schon vor Jahrhunderten verstanden, als ich nach dem Untergang des alten Ordens Armands Verzweiflung gespürt hatte. Erregung, der Wunsch weiterzumachen, diese Dinge waren für uns unbezahlbar. Um so mehr Anlaß für das Rockkonzert, das Weitermachen, den Krieg.
»Lestat, bitte, geh morgen abend nicht auf die Bühne«, sagte er. »Laß die Filme und das Buch tun, was du erreichen willst. Du mußt auf dich aufpassen. Laß uns zusammenkommen und reden. Laß uns in diesem Jahrhundert Zusammensein, wie wir noch nie zusammen waren. Und damit meine ich uns alle.«
»Sehr verlockend, mein Schöner«, sagte ich. »Vor hundert Jahren hätte ich noch fast alles darum gegeben, diese Worte zu hören. Und wir werden zusammenkommen, und wir werden reden, wir alle, und wir werden einander gehören. Es wird herrlich sein, schöner als je zuvor. Aber ich werde morgen auftreten. Ich werde wieder Lelio sein, wie ich es in Paris nie gewesen bin. Ich werde der Vampir Lestat sein, den alle sehen können. Ein Symbol, ein Ausgestoßener, eine Mißgeburt der Natur - etwas, das man liebt, etwas das man verabscheut, alles zusammen. Ich sage dir, ich kann es nicht sein lassen. Ich kann nicht darauf verzichten. Und Angst habe ich, offen gesagt, kein bißchen.« Ich machte mich auf eine gewisse Kälte oder Traurigkeit gefaßt, die sich in ihm ausbreiten würde, und ich haßte die aufsteigende Sonne, wie ich sie schon immer gehaßt hatte. Er stand mit dem Rücken zu mir. Die Helligkeit tat ihm weh. Aber sein Gesicht war voller Wärme und Zuneigung.
»Also gut«, sagte er. »Ich würde gern mit dir nach San Francisco kommen. Das würde ich wirklich sehr gern. Nimmst du mich mit?«
Ich konnte nicht gleich antworten. Wieder verspürte ich die Qualen schierer Erregung, und meine Liebe zu ihm kam mir absolut erniedrigend vor.
»Natürlich nehme ich dich mit«, sagte ich. Wir sahen uns an. Er mußte jetzt gehen. Der Morgen hatte ihn eingeholt.
»Noch eins, Louis«, sagte ich.
»Diese Kleider, die du anhast. Unmöglich. Ich meine, morgen abend, das wird dich, wie man heutzutage sagt, deinen Pulli und deine Hose kosten.«
Ohne ihn war der Morgen öd und leer. Ich stand da und sann über diese Botschaft nach: Gefahr. Ich ließ den Blick über die fernen Berge, die endlosen Felder gleiten. Drohungen, Warnungen - was machte das schon? Die Jungen wählen Telefonnummern. Die Alten erheben ihre übernatürlichen Stimmen. Was war daran so ungewöhnlich?
Aber jetzt war Louis bei mir, und ich dachte nur noch an ihn. Und wie es sein würde, wenn auch die anderen kamen.
2
Auf den riesigen weitläufigen Parkplätzen des San Francisco Cow Palace drängten sich die rasenden und tobenden Sterblichen, als sich unsere Autokolonne durch die Tore schob, meine Musiker vorn in der Limousine, Louis in dem mit Leder verkleideten Porsche neben mir. Frisch und strahlend in dem schwarzen Umhang, dem Kostüm unserer Band, sah er aus, als wäre er gerade aus den Seiten seines eigenen Romans geschlüpft, während seine grünen
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