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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Inhalt.
    Als es dann im Herbst kalt wurde, trug ich auf der Bühne meinen roten, pelzbesetzten Mantel. Selbst ein Blinder hätte ihn noch von der letzten Reihe der obersten Galerie aus sehen können. Ich konnte mittlerweile auch geschickter mit meiner weißen Schminke umgehen, indem ich da und dort Schatten auftrug, um meine Gesichtszüge markanter zu gestalten, und obgleich meine Augen schwarz umrandet und meine Lippen leicht gerötet waren, sah ich gleichzeitig dämonisch und menschlich aus. Die Damen im Publikum überhäuften mich mit Liebesbriefchen.
    Nicolas ließ sich vormittags von einem italienischen Maestro im Geigenspiel unterweisen. Dennoch hatten wir genug Geld, um ausreichend Brennholz, Kohle und gutes Essen zu kaufen. Zweimal wöchentlich erreichten mich Briefe meiner Mutter, in denen sie mir mitteilte, daß es mit ihr gesundheitlich wieder bergauf gehe. Sie habe keine Schmerzen mehr, und ihr Husten habe nachgelassen. Dafür hätten uns unsere Väter enterbt und duldeten nicht, daß unsere Namen in ihrer Gegenwart erwähnt würden.
    Wir waren zu glücklich, um uns deswegen graue Haare wachsen zu lassen. Aber das finstere Grauen, die »Krankheit zum Tode«, peinigte mich zusehends, je kälter die Tage wurden.
    In Paris war die Kälte noch schlimmer. Sie war nicht so klar und sauber wie in den Bergen. Die Armen kauerten in den Torwegen, schnatternd und hungrig, und die Straßen waren mit schmutzigem Matsch bedeckt. Barfüßige, verelendete Kinder, liegengelassene Leichen, wohin das Auge blickte. Noch nie war ich meines pelzbesetzten Mantels so froh gewesen. Ich legte ihn Nicolas um, wenn wir engumschlungen durch Schnee und Regen stapften.
    Aber ob Kälte oder nicht - mir fehlen die Worte, das Glück dieser Tage zu beschreiben. Das Leben hielt seine schönsten Versprechungen. Und ich wußte, daß ich nicht ewig in Renauds Theater bleiben würde. Das sagte jeder. Ich träumte von den großen Bühnen, von Gastspielen in London und Italien und sogar Amerika. Dennoch hatte ich keine Eile. Das Füllhorn des Glücks schien unerschöpflich.

8
    Im Oktober jedoch, als in Paris bereits eine barbarische Kälte l. herrschte, fiel mir regelmäßig ein Gesicht im Publikum auf, das mich ständig verwirrte, und zwar in einem Maße, daß ich manchmal nicht mehr wußte, was ich auf der Bühne tat. Und dann war es plötzlich wieder verschwunden wie ein Traum.
    Zwei Wochen ging das so, ehe ich Nicki davon erzählte. Ich kam mir einigermaßen läppisch vor und hatte Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden: »Da ist jemand im Zuschauerraum, der mich beobachtet«, sagte ich.
    »Jeder beobachtet dich«, sagte Nicki. »Deswegen stehst du schließlich auf der Bühne.«
    Er war leicht melancholischer Stimmung an diesem Abend, darum fiel seine Antwort ein wenig spitz aus. Kurz zuvor, während er das Kaminfeuer entfachte, hatte er gesagt, er würde es nie sehr weit auf der Geige bringen. Trotz seines Gehörs und seiner Fertigkeiten gebe es zu vieles, was er nicht beherrsche. Ich aber würde mit Sicherheit ein großer Schauspieler werden. Ich widersprach ihm zwar, doch erinnerte ich mich der Äußerung meiner Mutter, er habe zu spät angefangen.
    Er sei nicht neidisch, sagte er, nur ein bißchen unglücklich. Ich beschloß, die Angelegenheit mit dem mysteriösen Gesicht besser nicht zu vertiefen, und überlegte, wie ich ihm Mut zusprechen könnte. Ich erinnerte ihn, daß das Publikum von seinem Spiel hingerissen war, daß sogar die Schauspieler hinter der Bühne erstarrten, um ihm zuzuhören. Ganz zweifellos habe er Talent.
    »Aber ich möchte ein großer Virtuose sein«, sagte er. »Und ich fürchte, daß mir das nie vergönnt sein wird. Solange wir noch zu Hause waren, konnte ich mir und den anderen etwas vormachen.«
    »Du darfst nicht aufgeben«, sagte ich.
    »Lestat, laß mich offen mit dir reden«, sagte er. »Für dich ist alles leichter. Was du dir in den Kopf setzt, gelingt dir auch. Ich weiß, was du von all den Jahren hältst, die du elend zu Hause gefristet hast. Aber selbst damals hast du erreicht, was du wolltest. Und wir haben uns an dem Tag nach Paris aufgemacht, an dem du dich für Paris entschieden hattest.«
    »Du bereust doch nicht, daß du nach Paris gezogen bist, oder?« fragte ich.
    »Natürlich nicht. Ich meine nur, daß du auch das Unmögliche für erreichbar hältst, Dinge, die zumindest für die meisten von uns nicht machbar sind. Wie das Töten der Wölfe…«
    Ein Kälteschauer umfing meine Seele,

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