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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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als er das sagte. Und aus irgendeinem Grund mußte ich wieder an jenes mysteriöse Gesicht im Publikum denken. Hatte was mit den Wölfen zu tun. Hatte was mit Nickis trüben Bemerkungen zu tun. Machte keinen Sinn. Und ich versuchte, nicht mehr daran zu denken.
    »Wenn du damals angefangen hättest, Geige zu spielen, würdest du jetzt wahrscheinlich bei Hofe auftreten«, sagte er.
    »Nicki, solche Gedanken sind reines Gift«, keuchte ich. »Man kann nichts weiter tun, als versuchen, sein Traumziel zu erreichen. Du wußtest, daß deine Chancen nicht allzu rosig waren, als du anfingst. Es gibt nichts, außer…«
    »Ich weiß.« Er lächelte. »Außer Sinnlosigkeit und den Tod.«
    »Ja«, sagte ich. »Du kannst nicht mehr erreichen, als deinem Leben einen Sinn zu verleihen, es zum Guten zu führen -«
    »Nicht schon wieder«, sagte er. »Du und deine Krankheit zum Tode und deine Krankheit zum Guten.« Er starrte eine Weile ins Feuer, dann wandte er sich mir mit verächtlicher Miene zu. »Wir sind Gauklerpack, dem nicht einmal ein Begräbnis in geweihter Erde zusteht. Wir sind Ausgestoßene.«
    »Himmel, wenn du nur daran glauben könntest«, sagte ich, »daß wir Gutes tun, wenn wir den Menschen helfen, sich ihrer Sorgen zu entledigen, sie für ein paar Stunden vergessen lassen, daß sie…«
    »Was? Daß sie sterben müssen?« Er grinste mich boshaft an. »Lestat, ich hatte gehofft, daß dich solche Gedanken in Paris nicht mehr heimsuchen würden.«
    »Diese Bemerkung hättest du dir sparen können, Nicki«, antwortete ich. Er machte mich allmählich wütend. »Ich tue Gutes im Boulevard du Temple. Ich spüre es -«
    Ich hielte inne. Da stand es wieder vor meinen Augen, dieses mysteriöse Gesicht, und ein finsteres Gefühl beschlich mich wie ein Omen. Seltsam war allerdings, daß dieses beunruhigende Gesicht meistens lächelte. Ja, freudig lächelte…
    »Lestat, ich liebe dich«, sagte Nicki ernst. »Ich liebe dich, wie ich nur wenige Menschen in meinem Leben geliebt habe, aber mit deinen Flausen über das Gute bist du ein ausgesprochener Schwachkopf.«
    Ich lachte. »Nicolas«, sagte ich, »ich komme ohne Gott aus. Ich komme sogar ohne den Gedanken an ein Jenseits aus. Aber ich könnte nicht weiterleben, wenn ich nicht an die Möglichkeit glauben würde, Gutes zu tun. Anstatt dich dauernd über mich lustig zu machen, erzähl mir lieber mal, woran du glaubst.«
    »Wie sich die Dinge mir darstellen«, sagte er, »gibt es Schwäche und Stärke, gibt es gute und schlechte Kunst. Daran glaube ich. Und momentan sind wir damit beschäftigt, ziemlich schlechte Kunst zu machen, und das hat rein gar nichts mit guten Taten zu tun!«
    »Unser Gespräch« hätte an diesem Punkt in einen saftigen Streit ausarten können, wenn ich ihm meine Ansichten über seinen bürgerlichen Schwulst an den Kopf geworfen hätte. Ich war nämlich fest überzeugt, daß unsere Arbeit bei Renaud in vieler Hinsicht wertvoller war als das, was die großen Theater boten. Nur der äußere Rahmen war weniger eindrucksvoll. Warum war diese bürgerliche Krämerseele unfähig, etwas anderes als die Oberfläche zu sehen?
    Ich atmete tief durch.
    »Falls es das Gute gibt«, sagte er, »bin ich das Gegenteil. Ich suhle mich im Bösen. Ich scheiß auf das Gute. Und wenn du es genau wissen willst, ich musiziere nicht, um die Idioten, die zu Renaud kommen, glücklich zu machen.
    Ich musiziere für mich, für Nicolas.«
    Ich wollte nichts mehr hören. Es war Zeit, schlafen zu gehen. Aber unser kleiner Schwatz hatte mich ernsthaft mitgenommen, und das wußte er, und als ich mir die Stiefel auszog, erhob er sich von seinem Stuhl und setzte sich neben mich.
    »Tut mir leid«, sagte er mit brechender Stimme. Dieser Sinneswandel kam so plötzlich, daß ich zu ihm aufsah, und er war so jung und so elend, daß ich nicht anders konnte, als meinen Arm um ihn zu legen und ihn zu bitten, sich keine Gedanken mehr zu machen.
    »Du strahlst etwas aus, Lestat«, sagte er, »das die Menschen anzieht. Sogar wenn du wütend bist oder verletzt -«
    »Papperlapapp«, sagte ich. »Wir sind beide müde.«
    »Nein, das stimmt«, sagte er. »Du strahlst ein Licht aus, das einen fast blendet. Aber in mir ist nur Finsternis. Manchmal glaube ich, daß das wie die Finsternis ist, die dich damals in der Dorfschänke heimgesucht hat. Du hast geschrien und gezittert und warst dem so hilflos ausgesetzt. Ich versuche, dich vor dieser Finsternis zu bewahren, weil ich dein Licht brauche. Ich brauche

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