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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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der Marquise de Lioncourt, ein Brief geschrieben werden, auf italienisch, damit ihn niemand sonst zu lesen vermöge, und ihr sei eine pralle Geldkatze mitzuschicken. Eine Reise nach Süditalien, ihrer Heimat, würde sie vielleicht ihrem Siechtum entreißen.
    Mir schwindelte bei dem Gedanken, daß sie die Chance zur Flucht besaß. Ich hätte gerne gewußt, was sie davon hielt.
    Roget redete auf mich ein, aber ich hörte ihm nicht zu. Ich stellte: mir vor, wie sie einmal im Leben als die Marquise gekleidet sein würde, die sie war, und mit ihrem Sechsspänner durch die Tore fuhr. Und dann erinnerte ich mich an ihr ausgezehrtes Gesicht und hörte sie aus den Tiefen ihrer Lungen husten, als säße sie neben mir.
    »Schicken Sie ihr den Brief und das Geld noch heute nacht«, sagte ich. »Es ist mir egal, was das kostet. Aber sorgen Sie dafür.« Ich häufte ihm Gold auf den Tisch, genug für ein ganzes Leben, wenn sie noch ein ganzes Leben gehabt hätte. »Nun«, sagte ich, »kennen Sie einen Händler, der erlesene Möbel feilbietet - Gemälde, Tapeten? Jemand, der uns zu dieser Stünde Laden und Lager öffnet?«
    »Selbstverständlich, Monsieur. Gestatten Sie mir, Ihren Mantel zu holen. Wir werden uns sofort auf den Weg machen.«
    Und schon waren wir nach Faubourg St.-Denis unterwegs.
    Dann strich ich stundenlang mit meinen sterblichen Begleitern durch ein Paradies materiellen Wohlstands und suchte mir alles aus, wonach mir zumute war. Sofas und Sessel, Geschirr aus Porzellan und Silber, Vorhangstoffe und Statuen. Und in meiner Vorstellung richtete ich das Schloß, in dem ich aufgewachsen war, ganz neu ein, und mehr und mehr Waren wurden verpackt und sofort in Richtung Süden abgeschickt. Meinen kleinen Neffen und Nichten schickte ich Spielwaren, von denen sie niemals zu träumen gewagt hätten -Schiffchen mit richtigen Segeln, Puppenstuben von geradezu unglaublicher Kunstfertigkeit.
    Später am Abend gab ich meinem Anwalt noch einen letzten Auftrag: Er solle dem Theaterbesitzer Renaud hundert Kronen überbringen lassen, mit schönen Grüßen von mir und dem besten Dank für seine gütige Behandlung.
    »Finden Sie heraus, wie es um dieses kleine Theater steht«, sagte ich. »Finden Sie heraus, ob sie Schulden haben.«
    Natürlich würde ich mich nie in die Nähe des Theaters wagen. Sie durften niemals erfahren, was mit mir geschehen war. Und im Moment hatte ich für alle meine Lieben getan, was ich konnte, oder?
    Aber als all das erledigt war, als die Kirchenglocken die dritte Stunde über die weißen Dächer schlugen und ich so hungrig war, daß ich überall Blut roch, fand ich mich doch auf dem menschenleeren Boulevard du Temple wieder.
    Der Schnee war unter den Kutschenrädern zu schmutzigem Matsch geworden und ich war in den Anblick von Renauds Theater versunken, mit seinen besudelten Mauern und zerfetzten Plakaten, auf denen noch immer in roten Buchstaben der Name des jungen, sterblichen Schauspielers Lestat de Valois zu lesen stand.

6
    Die folgenden Nächte waren wüst. Ich fing an, Paris leerzutrinken, als bestünde die Stadt nur aus Blut. Am frühen Abend plünderte ich die heruntergekommensten Viertel, rangelte mich mit Dieben und Mördern, spielte zuweilen Katz und Maus mit ihnen, um sie dann zähnefletschend in die Arme zu schließen und mich bis an die Grenze der Völlerei gütlich an ihnen zu tun.
    Ich unterschied zwischen verschiedenen Geschmacksrichtungen: große, schwerfällige Typen, kleine, drahtige Rauhbeine und Farbige, aber am liebsten waren mir die ganz jungen Schurken, die bereit waren, dir wegen ein paar Münzen in der Hosentasche die Kehle aufzuschlitzen.
    Ich liebte ihr Grunzen und Fluchen. Manchmal hielt ich sie mit nur einer Hand fest und lachte sie aus, bis sie vor Wut kochten, und dann warf ich ihre Messer über die Dächer und ihre Pistolen gegen die Hausmauern. Und ich haßte es, wenn sie in Panik gerieten. Zeigte ein Opfer echte Angst, verlor ich gewöhnlich das Interesse.
    Mit der Zeit verstand ich es, den Zeitpunkt des Tötens hinauszuzögern. Ich trank von diesem ein wenig und von jenem ein bißchen mehr und schlug erst beim dritten oder vierten richtig zu. Und wenn ich für den Abend so viel geschlürft hatte, daß sechs gestandene Vampire davon satt geworden wären, wandte ich mich dem übrigen Paris zu, all den phantastischen Freizeitvergnügungen, die ich mir früher nie hatte leisten können.
    Zuvor ging ich jedoch regelmäßig bei Roget vorbei, um mich nach. Nachrichten von

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