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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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brüllenden Hunger.
    Das Glück wollte es, daß mich ein Raubmörder überfiel, noch ehe ich die Stadtmauer erreicht hatte. Er kam pistolenknallend aus dem Wald gedonnert, und ich sah die Kugel an mir vorbeiflitzen, als ich vom Pferd sprang und ihn mir vorknöpfte.
    Er war ein Baumstamm von Kerl, und ich war überrascht, wie sehr mir sein Gefluche und Gezappel Spaß machte. Der widerliche Diener, den ich mir gestern gekrallt hatte, war alt gewesen. Das hier dagegen war ein gestählter, junger Körper. Sein unrasiertes Gesicht fühlte sich rauh an, und ich genoß seine kräftigen Fausthiebe. Aber es , war ein ungleicher Wettkampf. Er erstarrte, als ich meine Zähne in; seine Halsschlagader senkte, und das hervorquellende Blut war die i reinste Wollust. Es war so schmackhaft, daß ich völlig vergaß, vor seinem letzten Herzschlag von ihm abzulassen.
    Wir kauerten im Schnee, und wie eine Lawine raste mit dem Blut neues Leben in mich herein. Ich war wie versteinert. Hm, brichst jetzt schon die Regeln, dachte ich. Muß ich jetzt sterben? Sah nicht danach aus. Nur dieses brausende Delirium. Und dieser arme tote Dreckskerl in meinen Armen, der mir mit seiner Pistole um ein Haar den Kopf durchsiebt hätte.
    Der Himmel wurde dunkler, und vor mir türmten sich die Schatten von Paris. Und Wärme und wachsende Kraft stiegen in mir auf.
    So weit - so gut. Ich stand auf und leckte mir über die Lippen. Dann warf ich den leblosen Körper, so weit ich konnte, in die verschneite Landschaft. Ich war kräftiger denn je.
    Und eine Zeitlang stand ich da, ich, ein blutrünstiger Vielfraß, der am liebsten gleich wieder getötet hätte, um sich dieser Ekstase noch für ein Weilchen hinzugeben. Aber ich hätte beim besten Willen kein Blut mehr trinken können, und langsam beruhigte ich mich. Ein Gefühl trostloser Einsamkeit beschlich mich, als sei dieser Strauchdieb ein Freund oder Verwandter gewesen, der mich verlassen hatte. Mir war das ein Rätsel, obwohl das Schlürfen seines Blutes schon recht intim gewesen war. Sein Geruch, der mir ganz gut gefiel, war auf mich übergegangen. Aber er lag da, meterweit entfernt in den Schnee gepfercht, und seine Hände und sein Gesicht sahen grau aus unter dem aufgehenden Mond.
    Teufel, dieser Mistkerl war drauf und dran gewesen, mich umzubringen, oder etwa nicht?
    Innerhalb einer Stunde hatte ich im Marais einen fähigen Rechtsanwalt aufgetrieben. Er hieß Pierre Roget und war ein ehrgeiziger, junger Mann, der mir völlig aufgeschlossen begegnete. Geldgierig, gerissen, gewissenhaft. Genau, was ich wollte. Ich konnte nicht nur seine Gedanken lesen, wenn er nicht sprach, er glaubte auch alles, was ich ihm erzählte.
    Selbstverständlich stehe er dem Gatten einer Millionenerbin aus Santo Domingo gerne zur Verfügung. Und selbstverständlich mache es ihm nichts aus, sämtliche Kerzen bis auf eine zu löschen, wenn meine von Tropenfieber schmerzenden Augen Licht nicht vertrügen. Und was mein Vermögen in Edelsteinen anbetreffe, er stehe mit erstklassigen Juwelieren in Verbindung. Bankkonten und Kreditbriefe für meine Familie in der Auvergne - kein Problem, bitte sehr - bitte gleich.
    Das ging leichter, als Lelio zu spielen. Aber mir fiel es höllisch schwer, mich zu konzentrieren. Alles lenkte mich ab - die rauchende Kerze neben dem Schreibzeug, das Goldmuster der chinesischen Tapeten und Monsieur Rogets erstaunlich kleiner Kopf mit seinen funkelnden Äuglein hinter einer achteckigen Brille.
    Ganz gewöhnliche Möbelstücke schienen zu tanzen. Die Metallgriffe einer Truhe starrten mich wie Augen an. Und der Gesang einer Frau ein Stockwerk höher schien mir etwas in einer bebenden Geheimsprache zuzuraunen, so etwas wie: »Komm, komm zu mir.«
    Ich durfte mich derlei nicht allzu willfährig hingeben; ich mußte mich wieder in die Gewalt bekommen. Noch diese Nacht sei nicht nur meinem Vater und meinen Brüdern per Kurier Geld zuzustellen, sondern auch Nicolas de Lenfent - Musiker in Renauds Theater -, dem lediglich mitzuteilen sei, daß er diesen Geldsegen seinem Freund Lestat de Lioncourt zu verdanken habe. Außerdem sei es Lestat de Lioncourts Wunsch, daß Nicolas de Lenfent unverzüglich eine anständige Wohnung auf der Ile de St.-Louis oder sonstwo beziehe, wobei ihm Roget selbstredend behilflich zu sein habe, und dann solle Nicolas de Lenfent das Geigenspiel studieren. Roget solle überdies Nicolas de Lenfent die bestmögliche Geige erstehen, eine Stradivari.
    Und schließlich solle meiner Mutter,

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